Rezension

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Abrechnung mit dem syrischen Regime

Die geheime Mission des Kardinals - Rafik Schami

Die geheime Mission des Kardinals
von Rafik Schami

Bewertet mit 3.5 Sternen

Ein vom Vatikan nach Syrien entsandter Kardinal wird tot aufgefunden, übel zugerichtet in einem Fass Olivenöl. Anscheinend war er in geheimer Mission unterwegs. Kommissar Barudi, nur noch wenige Wochen von seiner Pensionierung entfernt, wird auf den Fall angesetzt. Da der Tote Italiener war, wird Verstärkung aus Italien angefordert. Der italienische Kommissar Mancini und Barudi verstehen sich auf Anhieb wie alte Freunde und bilden ein gutes Team.

Ihre Ermittlungen führen sie unter anderem in ein von Rebellen besetztes Gebiet, in dem sich der sogenannte Bergheilige aufhält, ein Heiler, dem magische Kräfte nachgesagt werden. In diesem Zusammenhang werden auch andere Schamanen und Heiler in Syrien erwähnt, die Marienerscheinungen haben und die Wunden Christi aufweisen. Handelt es sich durchweg um Scharlatane? Und wenn ja, warum erfahren sie so viel Unterstützung seitens der Kirche?

Für Barudis Vorgesetzten ist schnell klar, dass die Mörder des Kardinals Islamisten sein müssen, zumal auch ein entsprechendes Bekennerschreiben auftaucht. Doch Barudi und Mancini glauben nicht daran. Wie immer stellt sich die Frage „cui bono“, wem nutzt es? Der Leser erfährt sehr viel über die verschiedenen, oftmals miteinander verfeindeten religiösen Gruppen in Syrien: Sunniten, Alawiten, Schiiten, Drusen, Christen und Juden. Dies ist zum Teil interessant, zum Teil aber auch ermüdend, da sich die Erklärungen stellenweise lesen wie aus einem Lehrbuch für Religionswissenschaft.

Stück für Stück kommen die beiden Kommissare der Wahrheit näher, doch diese Wahrheit ist zu unbequem, als dass sie an die Öffentlichkeit gelangen dürfte...

Ich hatte mir aufgrund der Leseprobe einen spannenden Kriminalfall vorgestellt, doch eigentlich bildet der Mord an dem Kardinal nur den Hintergrund. Schami rechnet in diesem Roman vor allem mit dem korrupten syrischen Regime sowie diversen religiösen Gruppen ab. Mir hat dies zu viel Platz in dem Roman eingenommen. Was mir ebenfalls nicht gefallen hat, war die Liebesgeschichte zwischen Barudi und seiner Nachbarin Nariman. Jahrelang hat er seiner verstorbenen Frau Basma nachgetrauert und keine Frau auch nur eines Blickes gewürdigt. Jetzt verliebt er sich von einem Tag auf den anderen in eine Frau. Diese Liebesgeschichte geht mir zu schnell und erscheint mir nicht sehr glaubhaft. Rafik Schami ist ein begnadeter Geschichtenerzähler. Leser, die ausschweifende Geschichten mögen, die vom Hundertsten ins Tausendste gehen, sind hier genau richtig. Meine Erwartungen bezüglich des Buchs wurden jedoch nicht erfüllt, da die Geschichte streckenweise doch sehr zäh und belehrend war.