Rezension

Abschluß einer ambivalenten Freundschaft

Die Geschichte des verlorenen Kindes - Elena Ferrante

Die Geschichte des verlorenen Kindes
von Elena Ferrante

Bewertet mit 4 Sternen

Mit der "Geschichte des verlorenen Kindes" bringt Elena Ferrante ihre Neapolitanische Sage zum Abschluß, die Geschichte der Freundschaft zwischen Lila und Lenu, die über mehrere Jahrzehnte andauert und dabei keineswegs geradlinig verläuft.

Nach der Trennung von Pietro zieht Elena mit den beiden Kindern zurück nach Neapel um gemeinsam mit ihrer Jugendliebe Nino ein neues Leben zu beginnen. Doch leider erweist sich Nino als Enttäuschung, was Elena erst sehr spät erkennt. Nach dem endgültigen Bruch mit Nino steht Elena allein mit drei Töchtern da, zieht in die Wohnung über Lila im Rione und muss ihr Leben nun allein bestreiten. Die beiden Frauen unterstützen sich gegenseitig im Alltag und bei der Kinderbetreuung. Lila, die mit ihrem Lebensgefährten Enzo nun ebenfalls eine Tochter hat, ist erfolgreiche Unternehmerin im Bereich Computertechnologie und betreibt ihr Büro im Rione. Das ungeklärte Verschwinden von Lilas Tochter löst eine tiefe Lebenskrise bei ihr aus, von der sie sich nie wieder erholt. Jahre später verschwindet auch Lila, nicht nur aus dem Rione, sondern auch aus Elenas Leben.

Die Beziehung zwischen Elena und Lila durchläuft viele Hochs und Tiefs und ist keineswegs nur von Zuneigung geprägt, vielmehr begleitet diese Freundschaft auch immer Konkurrenzdenken, Vergleiche und auch Neid und Misstrauen. Häufig hat Elena das Gefühl, Lila verschweigt ihr etwas wichtiges, hält Elena auf Distanz und speist sie mit ein paar hingeworfenen Brocken ab. Elena hingegen ist ihr Ansehen als Autorin und Schriftstellerin so sehr wichtig, dass sie die Interessen ihrer Kinder bisweilen ihrem beruflichen Erfolg unterordnet und die Kinderbetreuung Lila überläßt. Schon der Gedanke, Lila könnte an einem Buch über die Geschichte Neapels schreiben und damit wunderbare Resultate erzielen, läßt in Elena Neid und Groll aufkommen und sie bezeichnet die Vorstellung, Lila könne ein Buch verfassen als anmaßende Naivität eines ungebildeten Menschen.

Elena Ferrante hat mit ihrem vierten Roman einen würdigen Abschluss für ihr großes Epos gefunden, bisweilen vielleicht ein wenig langatmig aber mit Sicherheit schöne Literatur über eine ambivalente Frauenfreundschaft vor dem Hintergrund der Geschichte Neapels.