Rezension

Abschlussband der thriller-Trilogie

Schattenschrei
von Erik Axl Sund

Endlich scheinen einige Mordfälle gelöst, und wie praktisch: Die vermutlichen Täter haben anscheinend Selbstmord begangen. Oder vielleicht doch nicht? Wie schon in den ersten beiden Bänden werden vermeintliche Gewissheiten schnell wieder in Frage gestellt. Die Autoren zeigen sich sehr geschickt darin, den Leser auf eine falsche Fährte zu führen. Immer wieder glaubt man als Leser, den Ermittlern voraus zu sein und weiß tatsächlich um viele Geschehnisse, die sie noch nicht kennen; dafür aber zieht man Verbindungen, die sie noch nicht sehen können, und liegt dabei nicht immer richtig. Der Leser kann sich dabei ertappen, dass er Lücken passend ausfüllt und sich so die Zusammenhänge erklärbar macht, dass er also damit die Geschichte für sich selbst konstruiert und seine eigene Welt schafft - genau wie die teils schwer gestörten Persönlichkeiten. Von den scheinbar "Normalen" ist der Weg zu den "Kranken" gar nicht so weit. 

Das Thema der multiplen Persönlichkeiten trägt das Buch. Ich kenne mich damit zu wenig aus, um entscheiden zu können, ob die Darstellung realitätsgerecht ist. Überzeugt hat sie mich allerdings nicht: Wenn Victoria eine Persönlichkeit nach der anderen "abarbeitet", wirkt das ein wenig zu glatt. Sie wird im Laufe des Buches immer blasser statt lebensechter. Und dass sie mit solchen Lasten eine erfolgreiche Praxis geführt haben soll, kann ich auch nicht glauben; dafür sind ihre Aussetzer zu groß.

Dass die Ermittler erst so spät einen bestimmten Verdächtigen suchen, kann ich mir ebenfalls nicht vorstellen. Es kann auch nicht daran liegen, dass sie ihn vorher nicht zur Fahndung ausschreiben durften, denn die Hinweise erhalten sie durch bürokratische Fleißarbeit. Der Rückblick des letzten Täters soll Erklärungen liefern, doch das wirkt auf mich etwas an den Haaren herbeigezogen. Typisch für dieses Autorenduo: Wieder bleibt vieles offen. Im wirklichen Leben lösen sich zwar nicht alle ungeklärten Fragen, doch in einem Buch als Kunstprodukt erwarte ich, dass auch einiges zum Abschluss kommt. Mit einem offenen Ende bei den Hauptpersonen kann ich zwar leben, doch hätte ich mir zumindest für den Fall noch einiges an Aufklärung gewünscht: Was war denn da nun mit den Weissagungen? Und hatte die Gruppe keine weiteren Mitglieder oder Nachfolger? Wie ist der Hauptdrahtzieher zu einer solchen Persönlichkeit geworden, und wie soll er das alles bewältigt haben?

Alles in allem bleiben also viele Fragen offen. Es hat mir gefallen, mich im Laufe der drei Bände immer wieder dabei zu ertappen, dass ich ungerechtfertigte Schlüsse gezogen habe, doch schlagen mir die Autoren dann letztendlich doch ein paar Haken zu viel, um noch glaubwürdig zu sein. Die hohe Spannung, die ich im ersten Band empfunden habe, ist nach und nach abgeflaut. Und so ist mein Fazit: Ich habe die drei Bände zwar interessiert gelesen, bin aber doch nicht so angetan, dass ich das wiederholen möchte.