Rezension

Abstruse Gestalten, beste Unterhaltung

Paperboy - Pete Dexter

Paperboy
von Pete Dexter

Bewertet mit 4 Sternen

Florida 1965. Jack ist kürzlich vom College geflogen, wohnt jetzt wieder bei seinem Vater und arbeitet für dessen Zeitung als Ausfahrer. Nicht der beste Job, aber er ist zufrieden. Die Zeitung soll ja sowieso mal sein großer Bruder Ward übernehmen, da hat er keine Chance. Vor allem, weil der auch noch ein richtig guter Journalist ist.

Vor vier Jahren wurde hier der Sheriff erschossen, kein sehr beliebter Mann – hat er doch selber das eine oder andere Leben auf dem Gewissen gehabt. Noch unbeliebter aber sind die Van Wetters, eine Familie von Outlaws, die schon seit Ewigkeiten in den Sumpfgebieten leben und sich von den Städten fernhalten.
Da der ermordete Sheriff allerdings kürzlich ein Mitglied dieser Familie umgebracht hat, wurde einer dessen Cousins wiederum für den Mord am Sheriff verantwortlich gemacht und verurteilt. Hillary Van Wetter sitzt also jetzt im Gefängnis und wartet auf seine Hinrichtung.

Dass es keine stichhaltigen Beweise gibt und etwaige vorhandene mysteriöserweise verloren gegangen sind, hatte bisher niemanden gekümmert. Man brauchte einen Schuldigen und den hatte man ja schnell gefunden.
Nun kommen aber Jacks Bruder und sein Partner in die Stadt, um sich dem Fall an zu nehmen. Diese arbeiten immerhin für die größte Zeitung der Umgebung, die Miami Times. Ihr wichtigster Verbündeter ist die schöne Charlotte Bless, die sich auf abstruse Weise zu Hillary Van Wetter hingezogen fühlt und sich mit ihm verheiratet hat, ohne ihm je begegnet zu sein.

Dieses Dreamteam versucht also nun, die Öffentlichkeit von der Unschuld des vermeintlichen Mörders zu überzeugen. Jack dient als Fahrer der Zeitungsjungs. Sein Bruder Ward ist der nüchtern Fakten sammelnde Journalist, sein Partner Yardley Acheman ist mehr der Draufgängertyp und für die örtlichen Kontakte zuständig und Charlotte sieht immer gut aus.

Die Besuche im Gefängnis sind eher ernüchternd, den Van Wetter will eigentlich nicht mit ihnen reden, hat nur Augen für Charlotte. Auch die anderen involvierten Personen sind den Ermittlungen nicht unbedingt wohlgesinnt, so wie der Anwalt, den man der Unfähigkeit beschuldigt und ihm kurzerhand das Mandat entzieht. Nicht unbedingt der cleverste Schachzug, ist er in der Stadt doch ein angesehener Mann.

Über der ganzen Geschichte liegt eine schwüle Hitze, besonders wenn sich die Brüder in die Sümpfe aufmachen, um den Onkel von Hillary Van Wetter zu finden, den dieser als sein Alibi angegeben hatte. Die Hemden kleben am Körper, der Kopf arbeitet langsam – die einzige die immer makellos erscheint, ist Charlotte.

Die Ausweglosigkeit dieser Ermittlungen wird spätestens beim ersten Besuch im Gefängnis klar. Nichts desto trotz verbeißt sich vor allem Wards Bruder in die Geschichte – es muss eine perfekte Story werden. Schlecht nur, wenn keiner der Beteiligten so richtig mitmachen will. Die Van Wetters im Sumpf lassen sich eher von einem Karton Eiscreme beeindrucken, als vom großen Journalisten, der für die Gerechtigkeit kämpft. Der Einzige, der bis zum bitteren Ende zu ihm hält ist sein Bruder – Blut ist eben dicker als Wasser, auch das warme Sumpfwasser.

Eine Geschichte über eine Gesellschaft, in der allzu schnell ein Schuldiger gefunden ist. Eine Geschichte über einen fast einsamen Kämpfer für die Gerechtigkeit, oder kämpft er doch nur für seinen eigenen Ruhm, für die Selbstbehauptung und die Selbstbestätigung?! Was opfert man alles für die eine perfekte Story. Und was kommt danach?
Ebenso aber auch die Geschichte von Jack, dem Jungen, der aus seinem vorgegebenen Weg ausbricht und dem ein einfacher, handfester Job lieber ist, als das Studium und die große Karriere.

Abstruse Geschichte, abstruse Gestalten – beste Unterhaltung!