Rezension

…abwechslungsreiche Anthologie mit neuen Fällen für Holmes & Watson!

Elementar, mein lieber Watson! -

Elementar, mein lieber Watson!
von

Seit über 130 Jahren ist dieser Detektiv eine feste Größe innerhalb der Kriminalliteratur und hat nach all den Jahrzehnten nichts von seinem Reiz eingebüßt. Sein Schöpfer Sir Arthur Conan Doyle wäre vielleicht überrascht gewesen, hätte er gewusst, welchen Ausmaß die Verehrung der Holmes-Anhänger annimmt: So gibt es div. Bühnen- und Film-Adaptionen sowie Fernseh-Serien, die sich auf die Original-Geschichten beziehen oder Anleihen nehmen, und manches ist schlicht und ergreifend frei erfunden und der Phantasie div. Schreiberlinge entsprungen. Sherlock Holmes Faszination ist ungebrochen…!

Die vorliegende Anthologie versammelt sechs neue Geschichten um den Meisterdetektiv: Verleger Daniel Kampa hat aus dem scheinbar unerschöpflichen Fundus der Kriminalautor*innen, die sich schon an einer Holmes-Geschichte versucht haben, die Werke von vier namhaften Autor*innen ausgewählt, und mit zwei Geschichten lässt er sogar Holmes-Fans/-Experten zu Wort kommen.

Wie so oft bei solchen „Compilations“ gibt es Erzählungen unterschiedlicher Qualität zu bewundern. Ohne Licht gibt es eben keinen Schatten! In diesem Fall haben wir 2x „Sonnenschein“, 2x „leicht bewölkt“ und 2x „Halbschatten“. Ein „Zappenduster“ bleibt uns dank der versierten Zusammenstellung von Daniel Kampa zum Glück erspart.

Die zwei „halbschattigen“ Geschichten stammten von den beiden Holmes-Fans/-Experten Peter Jackob und Klaus-Peter Walter. In „Das Geheimnis von Compton Lodge“ wirft Peter Jackob einen Blick auf die Familienhistorie von Dr. Watson. Leider wirkt die Geschichte aufgrund der häufig wechselnden (und für mich nicht nachvollziehbaren) Handlungsorte etwas „zerfranst“. Bei „Sherlock Holmes und der Arpaganthropos“ lässt Klaus-Peter Walter die griechische Mythologie aufleben, Holmes auf einem Teppich à la Aladdin fliegen und Watson von Delphinen aus Seenot retten. Dagegen wirkt „Der Hund der Baskervilles“ harmlos…!

Die „leicht bewölkten“ Geschichten verdanken wir Anne Perry („Die Mitternachtsglocke“) und Anthony Horowitz („Die drei Königinnen“). Beide halten sich eng am Holmes-Korsett und liefern klassisch anmutende Geschichten, wie sie Conan Doyle für das „The Strand Magazine“ verfasst haben könnte. Leider hat dies zur Folge, dass die Stories mir wenig Unerwartetes offenbarten und somit leicht vorhersehbar erschienen.

Für den „Sonnenschein“ sind Stephen King und Alan Bradley verantwortlich. „Der Fall des Doktors“ von Stephen King wirkt wie eine klassische Holmes-Geschichte – allerdings mit vertauschten Rollen: Bei der Lösung dieses Falls steht Holmes „auf dem Schlauch“, und Watson liefert (auch für ihn) überraschend die nötigen Fakten und Indizien. Alan Bradley lässt mich als Leser bei „Verkleidung schadet nicht“ erstmal im Dunkeln tappen bzgl. der Identitäten der handelnden Personen und überrascht mit einer ungewöhnlichen Auflösung. In beiden Geschichten „verstecken“ die Autoren jeweils eine Huldigung an die „Queen of Crime“: Während King weniger offensichtlich aber durchaus erkennbar die Täter*innen wie bei „Mord im Orientexpress: Ein Fall für Poirot“ ihrer Strafe entgehen lässt, legt Bradley umso offensichtlicher in seinem Schlusssatz Holmes einen Hinweis auf Miss Marple in den Mund. Beides hat mich als Christie-Fan natürlich immens amüsiert und gefreut.

Allen Autor*innen ist gemein, dass sie äußerst respektvoll mit der literarischen Vorlage umgehen. Als Leser spürte ich ihre Verehrung gegenüber Sir Arthur Conan Doyle und seinen Schöpfungen.