Rezension

abwechslungsreiche Kreuzfahrt mit Tücken

Tage zwischen Ebbe und Flut - Carin Müller

Tage zwischen Ebbe und Flut
von Carin Müller

Bewertet mit 5 Sternen

Drei Generationen zusammen im Urlaub, das ist schon eine Herausforderung für sich. Alle Interessen, Launen und Vorstellungen unter einen Hut zu bekommen, scheint fast unmöglich. Wenn die Familienmitglieder allerdings so verschieden sind, wie die der Familie Kaufmann, dann ist Stress schon vorprogrammiert. Noch dazu kommt die Alzheimer-Erkrankung von Opa Felix, die für alle zur Geduldsprobe wird. Eine Abwechslungsreiche Kreuzfahrt, die einige Überraschungen bereit hält.

 

Auch wenn ich persönlich noch nicht auf einer Kreuzfahrt gewesen bin, habe ich am Ende der Geschichte den Eindruck, mir gut vorstellen zu können, was dort alles passieren kann. Man bekommt einen schönen Einblick in das Leben auf dem Meer, die Organisation von Ausflügen und Tagesplänen, ohne dabei von den Figuren abzulenken. Die bildhaften Beschreibungen der Landschaft laden zusätzlich zum Träumen ein.

 

Im Verlauf der Geschichte lernt man die Charaktere sehr gut kennen und auch ihre Entwicklungen sind nachvollziehbar beschrieben.

Während Enkelin Fabienne zu Beginn eher der störrische Teeanger ist, entpuppt sie sich als guter Gesprächspartner, mit festen Zielen und Ansichten, die viel erwachsener sind, als man ihr zutraut. Trotzdem ist sie in gewisser Weise noch Kind und genießt die Möglichkeiten, Spaß zu haben und die Seele baumeln zu lassen.

Auch ihre Tante Judith und Oma Ellen entwickeln sich weiter. Die beiden Streithähne lassen eigentlich keine Gelegenheit aus, dem anderen unter die Nase zu reiben, was sie am gegenüber stört. Laute Anfeindungen vor den anderen Gästen gehören zur Tagesordnung. Nicht besonders leicht zu ertragen. Was passiert und wie die beiden am Ende des Buches zueinander stehen, werde ich natürlich nicht verraten, aber es hat Spaß gemacht, es zu verfolgen, mit all den Höhen und Tiefen, die dabei durchlaufen werden.

Felix ist einer meiner Lieblingscharaktere. Durch seine Alzheimer-Erkrankung hat er es nicht leicht und macht es auch seinem Umfeld nicht leicht. Manchmal ist ihm das bewusst, manchmal lebt er völlig in seiner eigenen Welt. Und obwohl es schwer ist, nachzuvollziehen, wie man sich da fühlen muss, wird es im Buch sehr schön dargestellt. Die Beschreibungen sind authentisch und nachvollziehbar. So wird Felix in all seinen Facetten greifbar. Und auch wenn er immer wieder für kleine oder größere Probleme sorgt, so kann man mit ihm auch sehr viel Spaß haben.

 

Die Magie des Meeres greift nach und nach auf alle Charaktere über und bringt manche Veränderung mit sich. Durch den Verzicht auf eine Ich-Perspektive hat man als Leser einen sehr umfassenden Blick auf die Handlung. Man kann die parallel verlaufenden Handlungsstränge mit verfolgen und nacheinander in den Kopf aller Figuren schauen. So spürt man die Entwicklungen sehr deutlich.

An einigen Stellen werden Mauern fallen gelassen, die Charaktere öffnen sich, lassen ihren Frust und ihre Wut raus, äußern auf der anderen Seite Wünsche und Träume, es fließen Tränen, es wird aber auch herzhaft gelacht.

Trotz all der Frustration wird immer wieder deutlich, wie wichtig es ist, die schönen Momente zu genießen, sich Auszeiten zu nehmen und auch mal die Seele baumeln zu lassen. Jede Figur hat ihr Päckchen zu tragen und obwohl die alle ziemlich unterschiedlich aussehen, haben sie eben doch alle was gemeinsam.

 

Eine sehr schöne Geschichte, die ganz verschiedene Seiten der Krankheit beleuchtet, einen in gewisser Weise die Augen öffnen und dafür sensibilisiert, was damit alles im Zusammenhang stehen kann. Obwohl ich im Krankenhaus arbeite, vergisst man manchmal einfach, dass es auch immer gute Zeiten gibt und es sich lohnt Kraft daraus zu ziehen und diese zu nutzen.