Rezension

Achtung, kein Kinderbuch!

Infinity Drake 1 - Scarlattis Söhne - John Mcnally

Infinity Drake 1 - Scarlattis Söhne
von John McNally

Bewertet mit 3.5 Sternen

Lasst uns eines von vornherein klarstellen: Infinity Drake mag das Cover eines Kinder- oder Jugendbuches haben, es mag einen jugendlichen Protagonisten als Helden vorweisen, es besitzt sogar klassische Jugendsprache, wenn es sein muss. Doch das sollte niemanden täuschen. Wer sich auf eine Geschichte aka Liebling, ich habe die Kinder geschrumpft und Die Reise ins Ich einstellt, wird wohl enttäuscht werden. Während die genannten Filme absolut familientaugliche P6-Freigabe haben, würde ich Infinity frühestens ab 14 empfehlen, denn manche Szenen sind schon recht heftig. Da wird manchmal beiläufige Gewalt vollzogen oder technisches Know How wie aus einem Politthriller verwendet, dass einem die Ohren schlackern.

 

Wenn man damit klarkommt, kann man sich allerdings auf ein rasantes Abenteuer einstellen. Und worum geht es in diesem Abenteuer?

 

Ein irres Genie bedroht England mit einem genmanipulierten Insekt. Einmal freigesetzt kann sich dieses Wesen, genannt Scarlatti, blitzschnell fortpflanzen, und zwar zu Hunderten oder Tausenden, welche natürlich wiederum Hunderte und Tausende Scarlattis produzieren können. Ein Scarlatti ist theoretisch in der Lage, 555 Menschen umzubringen, so dass es nicht lange dauert, bis die schiere Masse der theoretischen Insekten die halbe Menschheit ausrotten könnte. Es gibt nur eine Möglichkeit, diesen Scarlatti zu finden und aufzuhalten: Ein zweiter soll ihn anhand seiner Duftspuren und diverser Hormone finden. Um an diesem zweiten Scarlatti dranzubleiben, wird beschlossen, ein Wissenschafts- und Armeeteam auf eine Größe von neun (!!!) Millimetern zu schrumpfen, natürlich samt Ausrüstung und Waffen. An dieser Stelle kommt der Titelheld ins Spiel, Infinty Drake, genannt Finn. Denn dessen Onkel Al ist ein wissenschaftliches Genie, welches eben so eine Maschine erfunden hat, mit der das möglich ist. Sämtliche Führer der Welt erwarten also von Al, dass er das Dilemma der zu rettenden Welt löst. Dumm nur, dass ihnen das irre Genie immer einen Schritt voraus zu sein scheint und so geht alles schief, was nach Murphy schiefgehen kann. Mit einem Mal ist Finn ebenso nur 9 mm groß und bei der Mission dabei – was ein Glück ist, denn er kennt sich hervorragend mit Insekten aus und erweist sich als nahezu unentbehrlich. Doch die Gefahren lauern nicht nur von T-Rex-großen Spinnen und anderen Insekten, auch die nunmehr beiden Scarlattis sind fröhlich zum Töten aufgelegt und das irre Genie hat seine Leute in der ganzen Welt, die ebenfalls einen Heidenspaß am Töten haben. Die Mission ist geradezu zum Scheitern verdammt.

 

Ich hatte so meine Probleme, in die Story reinzufinden. Einerseits recht locker geschrieben, strotzt sie andererseits geradezu vor technischen Erklärungen und dramatischen Hintergründen. So ist Infinity ein 12jähriger, der schon früh beide Elternteile verloren hat und jetzt bei seiner Oma lebt. Es tauchen nicht nur genmanipulierte Insekten, sondern auch Jugendliche auf, deren einziger Daseinszweck darin besteht, Anordnungen zu befolgen und dann zu sterben. Das ist manchmal echt hart zu lesen, genauso die Beiläufigkeit, in der gelegentlich getötet wird. Um Finn das Hintergrundwissen über die Insekten zu vermitteln, die ihn so wichtig machen, hat der Autor beschlossen, den Tod von Finns Mutter mit dem Tod von 108 Lebewesen zu kompesieren. (Sein Onkel Al und er haben Schmetterlinge und andere Insekten gefangen und aufgespießt.) Vielleicht bin ich da zu empfindlich, aber mir erscheint so ein Vorgehen etwas krank. Dazu liebt es McNally, seine Actionszenen im Stile der Lustigen Taschenbücher von Walt Disney zu erzählen, so dass es auf den Seiten geradezu wimmelt vor KRACH!, BUMM!, WSSSSSSZZGGWZ!, DAGGDAGGDAGG und ähnlichen hochanspruchsvollen Wörtern, die rasante Szenen vermitteln. Das funktiert einmal als Stilmittel, vielleicht auch zweimal, ab dem dreihundertundersten Mal zeigt es gewisse Abnutzungserscheinungen.

 

Zweimal sind mir innerhalb des Buches grobe Rechtschreibfehler aufgefallen, die einem Lektorat nicht hätten entgehen dürfen, aber sei's drum. Auch einige Perspektiven dürften sich anders gestalten. Keine Katze der Welt angelt nach etwas, das 9 mm groß ist, weil sich da der Aufwand überhaupt nicht rentiert. Und dass 9mm große Leute in der Ferne die Silhouette einer Stadt erkennen können, halte ich auch für ein Gerücht (überprüfbar ist das ja wahrscheinlich nicht.) Das sieht jetzt eigentlich nach jeder Menge Meckerei aus, aber Tatsache ist, dass ich nach den ersten Einstiegsschwierigkeiten wirklich Spaß am Lesen hatte, zumal mir einige der Personen ernsthaft sympathisch waren. (Der Titelheld gehört nicht wirklich dazu, aber das ist rein subjektiv – ich mag keine anderen Klugscheißer neben mir. ;D) Das Buch strotzt nur so vor Wendungen und Wirrungen, und wenn man sich einmal an den comicartigen Serienjunkiestil gewöhnt hatte, war es leicht, in die Geschichte abzutauchen.

 

Fazit: Interessante Geschichte mit einigen Schwächen, aber doch spannend und originell genug, um auch die (voraussichtlichen) Nachfolger lesen zu wollen. 3,5/5 Punkten.