Rezension

Actionreiches Historiendrama aus der Zeit Karls des Großen

Das Versprechen der Nonne - Robert Storch

Das Versprechen der Nonne
von Robert Storch

Bewertet mit 3.5 Sternen

Eine Nonne bricht am helllichten Tag in ein Männerkloster ein. Ihr Ziel: die Klosterbibliothek. Ihre einzige Waffe: Bibelzitate ...

Die schriftenbeflissene Nonne Hugeburc hat es wirklich gegeben. Im Roman hört sie lieber auf den Rufnamen Michal, liebt es, in der Bibliothek zu sitzen und heilige Handschriften zu kopieren und zu studieren. Als sie dem Grafensohn Gerold begegnet, dessen ganze Familie einem Rachefeldzug seines Onkels zum Opfer fiel, hat Michal ein Problem. Abgesehen von der sozusagen beruflich verordneten Jungfräulichkeit und der erschwerenden Tatsache, dass Michal nicht wirklich aufgeklärt ist, ringt sie lange Zeit mit der Frage, was nun eigentlich Sünde ist und was nicht.

Wer hier schon mit den Augen rollt, sollte das Buch vielleicht besser nicht lesen. Ich persönlich fand die Fragestellungen, die diese durchaus spannende Geschichte aufwirft, interessant und nachdenkenswert. Obwohl ... anfangs denkt man schon hin und wieder: was für ein prüdes und schwülstiges Machwerk ist das denn ... bis man, relativ spät, in der hinteren Hälfte des Buches, entdeckt, dass man sich sowohl im Autor als auch in Nonne Michal gewaltig getäuscht hat.

Ich fand den Einstieg in die Geschichte nicht überwältigend; nun gut, die Szenerie scheint authentisch, die theologische Problematik durchaus realistisch. Die Dialoge finde ich eher mäßig. Der Autor muss sich wohl erst etwas warmschreiben. Immerhin tritt er recht bald den Beweis an, dass er von Schwertkämpfen Ahnung hat; Schlachtengetümmel, das kann er. Aber vieles beschreibt er zu salbungsvoll, dann aber auch oft zu oberflächlich. Die Äbtissin Walburga (auch sie natürlich eine reale historische Figur) kommt mir anfangs vor wie eine unnahbare Comicfigur aus einem antiken Superheldenepos. Hätte man sie nicht ein bisschen menschlicher schildern können? Immerhin darf sie sich im Laufe des anfangs aus allen Lettern triefenden Wälzers weiterentwickeln. Genau wie Michal, wie Gerold, und sogar ... aber da verrate ich viellicht schon zu viel.

Spannend ist es. Und frappierend, wie immer wieder Religion und Machtpolitik ineinandergreifen und wie ein wirres Wollknäuel miteinander verfilzt scheinen. Und mittendrin also die unscheinbare Nonne Michal, die immer mehr beginnt, ihren eigenen Kopf zu gebrauchen. Der Autor hat viele schöne Ideen, aber in der Ausführung bleibt er, zumindest in der ersten Buchhälfte, oft ein bisschen halbherzig. Das Lichtwunder von Heidenheim zum Beispiel, das es der Tradition entsprechend wirklich gegeben haben soll, bleibt in seiner erzählerischen Ausgestaltung ausgesprochen blass; hier hätte der Autor wirklich kreativer werden können. Aber höchstwahrscheinlich galt seine ganze Leidenschaft dem Dokumentenfälscherdrama, das sich in der zweiten Buchhälfte entspinnt und das unsere Helden in die Papststadt Rom führt. Und hier wird das Buch tatsächlich richtig gut. Es ist nicht nur das Schlachtengetümmel. Es sind auch zum Beispiel solche Massenszenen wie bei der Papstaudienz in Rom, die der Autor anschaulich vor dem inneren Auge lebendig werden lässt, und hier versteht er sein Handwerk. Und man bekommt einen phantastischen Einblick in diese prä-romanische Zeit; Bilder werden lebendig. Überhaupt gefällt mir die anschauliche Schilderung der Örtlichkeiten gut. Der Autor kennt sich gut aus, und man bekommt einen schönen Eindruck von den Dimensionen und der kargen Einrichtung der alten Bauten. Zudem entfaltet sich eine mitreißende und actionreiche Handlung ... und, verflixt, der Mann hat gut recherchiert! Was für eine geniale Idee, die Heiligenbiographin Hugeburc nach Rom reisen zu lassen, um die "Konstantinische Schenkung" als Fälschung zu entlarven!  Auch wenn natürlich das eine oder andere Detail der historischen Fakten geschönt ist - der Autor weiß wirklich gut bescheid.

Wenn da nur nicht dieses weiße Reh namens Flocke wäre! Klar - Flocke ist total süüüüß! Aber irgendwie will sie nicht so ganz hineinpassen in dieses ... Epos. Hier und da entbehrt die Handlung auch schon mal einer tieferen Logik, wenn zum Beispiel Gerold soeben heroisch mit dem Bären gekämpft hat und dann plötzlich einfach so vom Baum fällt. Und wenn die Nonnen, die sich auf der anderen Seite des Waldes befinden, seinen Schrei hören, nicht aber Wulfhardt, den er vom Baum aus beobachtet hatte.

Auch stilistisch ist die Erzählung immer wieder durchwachsen. Aber ein Verdienst des dicken Wälzers ist es wirklich, dass hier so plastisch die unselige Verquickung von Religion und weltlicher Macht thematisiert wird, ohne dabei die Religion zu verteufeln. Mit gefällt auch, dass wir immer wieder in die Gedankengänge des skrupellosen, aber im Prinzip naiven Wulfhardt eintauchen, der das Christentum zwar benutzt, es aber überhaupt nicht versteht, auch nicht zu verstehen versucht.

Wer einen Horror vor Heiligenlegenden und Bibelversen hat, muss das Buch nicht unbedingt lesen. Wer aber eine gewisse religiöse Toleranz an den Tag legt und bereit ist, über ein paar Klischees und Schwülstigkeiten hinwegzusehen, der wird vielleicht wie ich Spaß an diesem Kirchenkrimi aus der Zeit Karls des Großen haben.