Rezension

Adel verpflichtet!

Töte mich - Amélie Nothomb

Töte mich
von Amélie Nothomb

Bewertet mit 5 Sternen

Jedes Jahr laden Henri und Alexandra Neville zum großen Empfang ins Château du Pluvier. Die Garden Party ist das bedeutendste gesellschaftliche Ereignis in den belgischen Ardennen. Doch dieses Mal wird es leider das letzte Fest seiner Art sein. Die Nevilles sind aus finanziellen Gründen gezwungen, das Schloss aus dem Jahre 1799 aufzugeben. Schlimmer noch, mahnt die Wahrsagerin Rosalba Portenduère, der Graf würde bei diesem Anlass einen seiner Gäste ermorden. Neville ist in heller Aufruhr! Nicht zuletzt, da sich seine Tochter, Sérieuse, freiwillig als Opfer darbietet.

Die Siebzehnjährige fühlt sich seit nunmehr längerer Zeit nicht wohl in ihrer Haut. Ganz im Gegensatz zu den älteren Geschwistern Oreste und Électre, die ihren Platz im Leben bereits gefunden haben, ist der jüngste Spross eine herbe Enttäuschung für die Familie. Einst voller Lebenslust und Elan, wurde sie mit zwölfeinhalb Jahren zu einer tristen Randfigur, schweigsam und teilnahmslos.

Henri Neville, der inzwischen diverse Optionen des Tötungsdelikts durchdacht hat, befindet sich in einer Zwickmühle. Die Vorbestimmung aber fordert unabwendbar ihren Tribut …

TÖTE MICH, mein erstes Werk der Bestsellerautorin AMÉLIE NOTHOMB, hat mich auf herrlich abstruse Weise entzückt! Die in Kobe, Japan, geborene Autorin ist nicht ohne Grund für ihre etwas anderen Erzählungen berühmt. Und ich habe bekanntermaßen ein Faible für originelle Schreibweisen und Kreativität fernab des Mainstreams.

Die Geschichte von Henri Neville und seiner jüngsten Tochter Sérieuse konzentriert sich in dritter Person Singular auf des Grafen Perspektive der Ereignisse. NOTHOMB verknüpft Erinnerungen an Vergangenes mit gegenwärtigem Geschehen. Haupt- und Nebenfiguren erhalten ein Gesicht. Der Spagat zwischen gehobener Ausdrucksweise des Adels und Umgangssprache des 21. Jahrhunderts prallen hier und da befremdlich aufeinander. Darüber hinaus gibt es immer wieder Parallelen zur klassischen Literatur, die die Ausgefallenheit und Dramaturgie von TÖTE MICH unterstreichen. Aber auch mit Humor, vor allem der trockenen und tiefschwarzen Art, wird nicht gegeizt. Die Lösung des Problems, will heißen der Abschluss des Romans, entspricht einer überraschenden Kehrtwende des Schicksals. Fast schon möchte man perplex auflachen.

TÖTE MICH erscheint als Hardcover in Leinen mit Schutzumschlag im Diogenes Verlag. Das Motiv ist ungewöhnlich und doch passend, wird auch Sérieuse nach dem Verlust ihrer Lebensfreude ohne Glanz und Anmut nahezu unsichtbar für ihre Umgebung.

Fazit:

Adel verpflichtet! TÖTE MICH ist eine originelle Geschichte um Schicksal, Konventionen und Emotionen. AMÉLIE NOTHOMB macht ihrem internationalen Leumund alle Ehre und verzaubert auch mich mit einer einfallsreichen, eigensinnigen und überraschenden Lektüre. Ihr besonderer Humor sowie schlagfertige Dialoge sind allemal eine Empfehlung wert.