Rezension

Aderlass...

Totenblass - Frederic Hecker

Totenblass
von Frederic Hecker

Bewertet mit 3.5 Sternen

Trotz spannendem Plot wirkt die Polizeiarbeit oft dilettantisch, von medizinischen Sachverhalten hat der Autor offenkundig mehr Ahnung...

Frankfurt an einem nasskalten Novemberabend: Eine nackte, mit seltsamen Wunden übersäte Frauenleiche treibt im Main. Kriminalhauptkommissar Joachim Fuchs und seine neue Kollegin, die junge Fallanalystin Lara Schuhmann, stehen vor einem Rätsel. Nach der Obduktion sind sie überzeugt, dass sie es mit einem perfiden Serienmörder zu tun haben. Als Fuchs während der Ermittlungen der Zeugin Sophia näherkommt, wird er wegen Befangenheit von dem Fall abgezogen. Auf eigene Faust ermittelt er weiter – und setzt damit eine folgenschwere Ereigniskette in Gang… 

Für sein Debüt hat der Autor Frederic Hecker einen spannenden Plot gewählt. KHK Joachim Fuchs und seine Kollegin Lara Schuhmann, die junge Fallanalystin, sind sich bereits nach der zweiten Frauenleiche sicher: sie suchen einen Serienmörder. Zwar stimmen bei den beiden Mordfällen nicht alle Details überein, aber der brutale Aderlass sowie einige andere Aspekte des Modus Operandi lassen für sie keinen anderen Schluss zu.

Die Suche nach dem Täter sowie nach dessen Motiv nimmt dabei jedoch nur langsam an Fahrt auf. Hier komme ich dann auch gleich zu dem für mich größten Schwachpunkt des Thrillers: der Polizeiarbeit. Der Autor selbst ist gelernter Mediziner (Chirurg und Doktor der Rechtsmedizin) und stellt dies hier mehrfach unter Beweis. Detailliert werden medizinische Sachverhalte und Zusammenhänge erläutert, und gerade Passagen, die in der Pathologie spielen, fordern dem Magen schon beim Lesen einiges ab.

Weniger versiert dagegen wirkt die Schilderung der Ermittlungen selbst. In den ersten zwei Dritteln des Thrillers erscheint die Arbeit der Polizei eher stümperhaft und dilettantisch denn professionell und gezielt. Das Kollegium ist ein Sammelsurium an Einzelkämpfern, wobei jeder nur seine eigenen Interessen zu vertreten scheint und an Teamarbeit keinerlei Interesse besteht. Hier hängt vieles vom Zufall ab, ob z.B. jemand gerade auf eine gute Idee kommt, die die Ermittlungen vorantreibt - und dann auch noch Zeit und Lust dazu hat. Ideen der anderen werden belächelt oder ins Lächerliche gezogen, Widerstand erfolgt stets und ständig gegen alle Vorschläge eines anderen Kollgen, einfach aus Prinzip heraus. Das empfand ich als anstrengend, zäh und in diesem Maße wenig vorstellbar.

Selbst die Kollegen Joachim Fuchs und Lara Schuhmann, die als festgelegtes Team fungieren sollen, sprechen kurz nach Beginn der Ermittlungen kaum noch miteinander. Lara stört, dass ihr Kollege sich in eine Zeugin verguckt statt in sie; der erfahrene Ermittler ist genervt, weil Lara sich an den Staatsanwalt ranmacht, mit dem er selbst sich überhaupt nicht versteht. Verkorkste Konstellationen, die für mich in diesem Thriller zu viel Raum einnehmen. Erst als Fuchs wegen Befangenheit von dem Fall abgezogen wird, kommt Schwung in die Ermittlungen, und auch die Kommunikation mit seiner Kollegin gelingt allmählich wieder besser. 

Der Schreibstil ist flüssig, und einige überraschende Wendungen halten gegen Ende auch die Spannung hoch. Alles in allem ein ambitioniertes Debüt mit einigen Schwachpunkten, wozu ich auch zähle, dass die Presse hier gar keine Rolle spielt und den Druck auf die Ermittler erhöht und dass gerade KHK Joachim Fuchs zwischenzeitilich in einigen brenzligen Situationen Superkräfte zu entwickeln scheint - auch das schießt für mich ein wenig übers Ziel hinaus. 

Obgleich mich das Debüt noch nicht ganz überzeugen konnte, bin ich neugierig, wie sich die Charaktere im kommenden Fall entwickeln werden und welche Aufgaben dann vor ihnen liegen mögen. Ich warte daher gespannt auf Band 2...

 

© Parden