Rezension

Ägypten pur

Snooker in Kairo - Waguih Ghali

Snooker in Kairo
von Waguih Ghali

Bewertet mit 4 Sternen

Dies ist ganz sicher ein gutes Buch, aber es macht es dem Leser nicht leicht.
Wir sind in Ägypten in den 50er Jahren, kurz nach der Revolution. Nasser hat die Macht übernommen, in Sues wird gegen Engländer gekämpft, auch mit Israel gibt es Konflikte. Eine schwierige Situation für das Land, die die ägyptische Schickeria offensichtlich nur am Rande interessiert.

Es geht um Ram, frisch ausstudiert und arbeitslos, der lieber mit seinen Freunden Snooker spielt, als sich irgendwo zu engagieren. Ram sitzt zwischen allen Stühlen. Er gehört der Oberschicht an, seine ganze Familie ist reich, nur er nicht. Er ist auf die Unterstützung seiner Tanten angewiesen, damit er im Club die richtige Kleidung tragen kann. Den Europaaufenthalt hat ihm seine Freundin Edna spendiert. 

Hier wird sehr vieles angesprochen, was Ägypten und die Ägypter anbelangt. Was ist überhaupt ägyptisch? Europäische Einflüsse verdrängen Landestypisches, man studiert in England, gewinnt Erkenntnis und verliert seine Identität. 
Die politische Situation des Landes ist verzwickt, wird immer wieder thematisiert, aber nicht erklärt. An dieser Stelle hätte ich mir etwas mehr Gnade mit dem Leser gewünscht. Hier wird vorausgesetzt, dass man die Geschichte Ägyptens parat hat. Das erschwert ein wenig die Orientierung. Ich habe eine Weile gebraucht, bis ich in diesem Buch angekommen war. 

Die ägyptische Oberschicht pflegt einen ganz eigenen Snobismus. Man hält zusammen, lässt auch gutes Geld fließen, um das Ausscheren schwarzer Schafe der Familie zu vertuschen, hat aber wenig Toleranz mit allen anderen. Eigentlich gibt es in Ägypten nur Reiche und Fellachen, Herren und Knechte und nichts dazwischen. Juden, Kopten und Moslems machen Geschäfte miteinander, besuchen dieselben Clubs, ziehen übereinander her und heiraten nur in ihren Kreisen. 

Für Ram ist seine Herkunft ein Gefängnis. Er will nicht die vorgegebenen Wege beschreiten, verachtet die Dekadenz der Oberschicht, hat aber gewisse Standards mit der Muttermilch aufgesogen. Vielleicht geht er unter, das aber gut gekleidet. Voller Selbstirone analysiert er seine Situation.
Die Jugend emanzipiert sich, ist betont unreligiös und unpolitisch, flüchtet sich in Bildung und ist dann zu intellektuell um zu arbeiten. Gelegentlich durchläuft man auch eine kommunistische Phase, bis man merkt, dass das auch nur bedeutet, Parolen zu rufen. 

„Snooker in Kairo“ malt in wunderbarer Sprache, einfühlsam und mit staubtrockenem Humor das scharfsinnige Zeitbild einer desillusionierten Generation, die hin- und hergerissen ist zwischen Tradition und Moderne, Orient und Okzident, Monarchie und Diktatur. 
Es ist ein sehr eigenes Buch, Ägypten pur, ungewöhnlich, melancholisch, klug, aufschlussreich, humorvoll und unbedingt lesenswert.