Rezension

Akribische Menschenstudie

Kampfsterne - Alexa Hennig von Lange

Kampfsterne
von Alexa Hennig von Lange

Bewertet mit 5 Sternen

Eine akribische Menschenstudie, die hochemotional und schonungslos das Seelenleben der Einzelnen zeigt. Erschütternd und Herzerwärmend.

Alexa Hennig von Lange schreibt in ihrem neuen Roman über die Elterngeneration der 80er Jahre und den schönen Schein. Hinter der Fassade des idyllischen Vorstadtlebens dreier Familien bröckelt es erheblich. Alle Beteiligten leiden unter der angeblich großen Freiheit der 80er Jahre, der vermeintlichen Aufgeklärtheit und den Ansprüchen ihres bürgerlichen Lebens. Jeder für sich ist ein Kampfstern, in seinem eigenen Kosmos.

In ihrem neuen Roman ermöglicht die erfolgreiche deutsche Schriftstellerin Einsichten in das menschliche Zusammenleben. Sie lässt die unterschiedlichen Protagonisten zu Wort kommen und stellt unabhängig vom Alter deren Wahrnehmungen, Sehnsüchte und Verletzlichkeit dar. Ihre genaue Beobachtungsgabe und ihr wertschätzender Blick auf die Einzelnen ist dabei bemerkenswert. Ihre Charaktere zeichnen sich durch Vielschichtigkeit aus. Es geht um Neid, Frustration, Gewalt, Rückzug und viel Sehnsucht. Trotz der stark ausgeprägten „schlechten“ Eigenschaften haben alle Beteiligten etwas sympathisches. Die Entwicklungen sind sehr verdichtet aber trotzdem glaubwürdig. Einfühlsam und mit einer großen psychologischen Tiefe dringt sie in die Seelen der Eltern und Kinder, beschreibt die Dynamiken in diesem engen Zusammenleben der Vorstadt.

Der Text ist sehr nachdenklich und hat eine ungeheure Tiefe. In sehr unterschiedlich langen Kapiteln wird aus der Sicht der einzelnen Beteiligten erzählt. Einige Kapitel gehen über mehrere Seiten hinaus und andere sind nur einen Absatz lang. Durch die vielen Perspektivwechsel entsteht ein umfassendes Bild von der Situation. Dynamiken werden klarer, weil die Einzelnen kurz hintereinander zu Wort kommen. Es entsteht Spannung und ein gewisser Sog, sodass sich das Buch nicht so leicht aus der Hand legen lässt. Gleichzeitig ist die Geschichte durch diese schnell aufeinanderfolgenden Wechsel von Beginn an hochemotional und sehr berührend. Von Lange legt immer wieder den Finger in die Wunden, schreibt akribisch und schonungslos. Die klugen Zwiegespräche der Einzelnen sind ebenso spannend wie die emotionalen Interaktionen mit den Anderen.

Die Autorin hat grundsätzlich eine direkte und sehr klare Ausdrucksweise. Die Sprache ist zusätzlich durch viele Verniedlichungen und Verstärkungen gekennzeichnet. Mit ihrem Humor fängt sie die Schwere des Inhalts auf. Dadurch bekommt die Geschichte neben dem Erschütternden, Trostlosen auch etwas Herzerwärmendes und Hoffnungsvolles.

Eine akribische Menschenstudie, die hochemotional und schonungslos das Seelenleben der Einzelnen zeigt. Erschütternd und Herzerwärmend.