Rezension

Akte X - war wohl nix

... und der dreiTag - Hendrik Buchna, I. L. Menger, John Beckmann, Tim Wenderoth

... und der dreiTag
von

Bewertet mit 2 Sternen

Die drei ??? und der dreiTag ist ein Special aus dem Jahr 2011: Ein Schreibprojekt vierer DDF-Autoren, gepackt in drei Bücher in einem Schuber – ohne eine Fallnummer. Ziel des Projekts war es, eine Ausgangssituation zu haben, die sich zu drei komplett unterschiedlichen Fällen entwickelt. Faktisch stoßen DDF in allen dreien auf dieselben Entscheidungspunkte, entscheiden sich aber anders. Oder der Entscheidungspunkt taucht so spät auf, dass die Entscheidung für den Fall keine Relevanz mehr hat. In allen dreien finden sich dieselben Elemente, die aber eine jeweils völlig andere Bedeutung für den Fall haben. Mal ist das eine egal und das andere super wichtig und mal andersherum.

Es fällt mir schwer, das Projekt als Ganzes zu bewerten, sodass ich vor allem auf die einzelnen Bücher eingehen werde. Schreibprojekte bzw. -experimente finde ich an sich immer eine gute Idee, vorausgesetzt, dass sie gut umgesetzt sind.

Hier eine kurze Übersicht meines Gesamteindrucks:

Positiv:

- Ein Dreierschuber außerhalb von Jubiläen
- Mehrere Autoren arbeiten zusammen
- Interessante Idee, aus einer Grundidee 3 komplett verschiedene Geschichten aufzubauen
- Witzige Idee, die Bände statt „Band 1, Band 2 Band 3“ „Band J, Band P und Band B“ zu nennen (1. Detektiv Justus Jonas, 2. Detektiv Peter Shaw, Recherchen und Archiv/3. Detektiv Bob Andrews).
- Leseprobe zum Band „High Strung“ aus der Top Secret-Reihe (bis dahin unveröffentlichte Fälle aus den USA).

Negativ:

- Wirklich überzeugend ist nur Band B
- Prolog in allen drei Büchern exakt derselbe
- Wirkt wie „Reizwortgeschichten“, da bestimmte Begriffe überwiegend künstlich platziert wirken und in jedem Band vorkommen. Zudem gibt es einen Witz, der 1:1 in jedem Band vorkommt.
- Band J = 1, Band P = 3, Band B = 2. Natürlich habe ich an die Nummern der Detektive gedacht und so versehentlich 1, 3, 2 gelesen.

Nun möchte ich auf die einzelnen Bücher eingehen:

Band J - Der Fluch der Sheldon Street – Hendrik Buchna:

Dieser Band hat mich am meisten enttäuscht. Hendrik Buchna ist kein schlechter Schriftsteller, andere Bände von ihm habe ich gern gelesen. Doch dieser wirkte absolut lust- und lieblos verfasst.

Durch die ganze Geschichte hinweg herrscht eine aggressive, feindselige Grundstimmung, auch bzw. gerade unter den drei Detektiven. Es wirkt zu dick aufgetragen und untypisch für Justus, Peter und Bob.

Es wird sich Horrorelementen bedient, was mir zu krass für ein DDF-Buch vorkam.

Der Fall an sich ist nicht schlecht, schleppt sich aber anfangs sehr langatmig und wird dann viel zu schnell erzählt.

Die Bedeutung der Graffiti ist viel zu weit hergeholt, einfach gestrickt und wirkt lächerlich.

Es ist „Justus‘ Buch“, doch es ging in diesem Band nicht mehr um Justus, als in anderen DDF-Büchern. Im Gegensatz zu den anderen beiden dreiTag-Büchern ermittelt er hier aber kurzzeitig alleine, während Peter und Bob zusammen unterwegs sind. Man kriegt von ihnen aber genauso viel mit wie von Justus.

Band P - Fremder Freund – Ivar Leon Menger, John Beckmann:

Dieser Band wirkt merklich weniger aggressiv und überzogen als Band J. Zumindest erst, denn die Entwicklung des Falls als simples, überdrehtes „Beziehungsdrama“ ist dann doch sehr enttäuschend.

Es gibt eine Anspielung (bzw. einen Wink mit dem kompletten Gartenzaun …) auf Enid Blytons Fünf Freunde, die zwar lustig gemeint ist, aber als subtile Anspielung mit der Beschreibung von Georges Namen, ihren Haaren und ihres Interesses am Detektiv spielen wesentlich besser gelungen wäre als zusätzlich ausgiebig darauf herumzureiten, damit auch der letzte ohne Ahnung auf jeden Fall versteht, dass sich hierbei auf die Fünf Freunde bezogen wird. Also eine unnötig langgezogene Szene ohne Aussage für die Geschichte.

Der Epilog ist hier sehr amüsant und gefällt mir gut.

Peter steht in diesem Band schon arg auf dem Schlauch. Justus‘ Verhalten ist sehr unlogisch: Erst freut er sich riesig über den Erwerb eines alten Novalux-Projektors, den er anschließend mir nichts, dir nichts verkauft, als läge ihm nichts daran. Dass Bob auch gleich für den Verkauf ist, sieht dem Zögerer und Zweifler nicht ähnlich.

Der komplette Anfang ist absolut irrelevant für die weitere Geschichte (außer Zusammentreffen mit Hedy) und plätschert einfach so vor sich hin.

Peter kommt hier zwar auch nicht deutlich häufiger vor, doch der Fall dreht sich unweigerlich um ihn. Und man erlebt ihn „privat“ in seiner Freizeit, wenn Bob und Justus nicht dabei sind.
Leider sind beide Fälle, J und P, recht oberflächlich.

Band B – Im Zeichen der Ritter – Tim Wenderoth:

Ehrlich gesagt, bin ich froh, diesen Band als letztes gelesen zu haben, denn er hat meine Stimmung wieder deutlich aufgeheitert. Natürlich waren Tim Wenderoth durch den Rahmen des Projekts Grenzen gesetzt, doch im Rahmen seiner Möglichkeiten hat er einen spannenden, komplexen Fall gezaubert, den ich nach den Reinfällen mit Band J und P nicht mehr erwartet habe.

Es finden sich einige klassische DDF-Elemente wieder, die hier im Gegensatz zu den anderen beiden Bänden nicht so gezwungen wirken. Die Geschichte entwickelt einen eigenen, natürlichen Fluss, in dem sie die „Reizwörter“ plausibel und unauffällig mit dem Fall verknüpft. Ein Element, das mir persönlich bei DDF-Büchern sehr wichtig ist, ist, dass man etwas über interessante Themenbereiche lernt. Hier in diesem Band ist das Thema Tempelritter.

Die Auflösung des Falls ist schrecklich und traurig zugleich, erreicht aber nicht diesen Horrorcharakter wie eine bestimmte Szene in Band J.

In diesem Band ist immer mal wieder Humor auf intelligente Weise verwoben. Der Gag steht nicht unbedingt wortwörtlich da, man muss über die gesprochenen Worte kurz nachdenken, um den Witz zu verstehen. Das passt meiner Meinung nach sehr gut zu einer Detektivgeschichte.

Das Thema absolut getroffen hat Wenderoth dadurch, dass Bob dank umfassender Recherchen zum Helden der Geschichte wird, da der Fall ohne seine Entdeckung nicht so richtig aufgeklärt hätte werden können.

Eine Anspielung auf Band J und P bildet einen runden Epilog.

Passend zum Krimi-Trend, handelt es sich bei diesem Fall hier um einen „Cold Case“, also einen ungeklärten Fall, der vor 27 Jahren stattgefunden hatte, auf den sich aktuelle Ereignisse zu beziehen scheinen. Und die Lösung kommt überraschend.

Am Ende dieses Bandes findet sich eine Leseprobe aus dem Top Secret-Fall High Strung – Unter Hochspannung. (Warum auch immer man in den Band, in dem vorne „Band 2“ steht, eine Leseprobe integriert und nicht in Band 3.)

High Strung wurde 1990 von G.H. Stone (Gayle Lynds) in den USA verfasst, erschien dort aber nie.

Das Hörspiel zu diesem Fall kenne ich seit Erscheinen, also seit 2011, das Buch dazu habe ich bisher noch nicht gelesen. Die Leseprobe liest sich auch, obwohl das Buch hier erst 2011 erschienen ist, wie ein älteres DDF-Buch. Für mich als Nostalgiker eine tolle Sache. Ich erinnere mich allerdings daran, dass man dem Hörspiel diesen nostalgischen Charakter absolut nicht anmerkt und es sich anhört wie ein (2011) aktueller Fall. Ich kann mir aufgrund der Leseprobe gut vorstellen, dass mit diesem Fall sowohl den älteren Fans (Buch) als auch den jüngeren Fans (Hörspiel) gut gedient wurde.

Fazit: Die Idee des DDF-Experiments ist lobenswert, aber die Umsetzung scheiterte leider vor allem an der Oberflächlichkeit zweier von drei Fällen. Wären die anderen beiden auf demselben Niveau wie Band B von Tim Wenderoth geschrieben, wäre das hier eine fantastische Box geworden. Leider kann ich den Schuber nur den Hardcore-Fans empfehlen, die alles gelesen haben wollen. Allen anderen empfehle ich lediglich Band B – wobei der leider ohne den Rahmen der Wiedererkenn-Elemente („Reizwörter“) an Charme einbüßt. Alles in allem ist der Schuber ein Special, das nach hinten losging. Specials gerne, aber bitte nicht so undurchdacht.