Rezension

Aktuell, denkbar, schlimm

Der Patriot - Pascal Engman

Der Patriot
von Pascal Engman

Schweden steht vor dem gleichen Problem, wie eine Vielzahl europäischer Staaten in den letzten Jahren. Immer verbissener werden die Fronten zwischen denjenigen, die der vermehrten Zuwanderung, vor allem der muslimischen Flüchtlinge aus Syrien, aus politischen oder humanitären Gründen positiv (oder auch nur neutral) gegenüberstehen, und jenen, die strengere Aufnahmeregelungen und Abschiebungen fordern und die Gesellschaftsordnung in Gefahr sehen. Vor allem die Presse gerät ins Visier, die zu positiv berichte und damit auch direkt und persönlich verantwortlich gemacht wird für singuläre Straftaten oder Ereignisse. Eine kleine Gruppierung sieht sich berufen zu handeln, ihr Schweden zu retten, jeden einzelnen Schweden und das ganze Land vor dem Untergang zu bewahren. Und ihre Lösung ist so simpel wie radikal: Journalisten müssen sterben, da sie als Wurzel des Übels ausgemacht wurden. Sie gehen überlegt und strategisch vor, kundschaften ihre Opfer akribisch aus, hinterlassen keine Spuren und beginnen damit, ihre Liste abzuarbeiten. Nicht alles verläuft reibungslos, und bald beschließen sie, dass ein „Opfer“ nötig ist, um ihre Ziele zu erreichen und vollkommen unbeteiligte werden in das Geschehen mit hinein gezogen.

Der Patriot zeigt eine Vielzahl brandaktueller Probleme und Konflikte auf und was mir mit am besten gefallen hat – er gibt nicht vor eine Lösung zu kennen. Ohnehin wertet der Autor eigentlich überraschend wenig. Es genügt vollkommen die Vielschichtigkeit der Probleme, das Ausmaß der potentiellen und tatsächlichen Gewalt und die Reichweite der Konsequenzen aufzuzeigen um das ganze Dilemma zu transportieren. Nationale und persönliche Tragödien sind unmittelbar uns erschreckend miteinander verknüpft.

Dabei entsteht ein überaus fesselnder Thriller, den ich in nur zwei Tagen ausgelesen habe. Ganz entscheidend hat dafür mich die ständig wechselnde Perspektive beigetragen, so dass ich fast immer am Ende eines Kapitels gedacht habe, dass ich aber nun unbedingt noch wissen muss, wie es in diesem Handlungsstrang weitergeht – aber der ist eben erst nach 4-5 Kapiteln wieder dran… Und als dann noch zwei mal zwei Stränge zusammengeführt wurden -  einer gar nicht überraschend, der andere (zumindest für mich) sehr überraschend und der ganzen Geschichte eine wirklich interessante neue Komponente und Wendung gebend, da kann man das Buch dann tatsächlich kaum noch aus der Hand legen.

Ein Kritikpunkt ist für mich der Klappentext des Buches: dort wird eine Person genannt, und liest man den Text könnte man meinen, es handele sich um den „Rächer“, der nach Schweden zurückkehrt und seinen Feldzug startet, die Journalistenmörder zu stellen. Weit gefehlt und so unzutreffend in Bezug auf Rolle und Ausgang der Geschichte, dass man sich fragt, ob die Person das Buch gelesen hat. Eine weitere ein wenig zu unterkühlte, gelassene Gesamthaltung fand ich auch schwierig zu glauben: da tötet jemand Journalisten. In Stockholm, in ihren Wohnungen, in ihren Häusern auf dem Weg nach Hause. Nicht einen, mehrere. Und doch tun alle Journalisten der Stadt nichts anderes, als ihre bösen Mails weiter brav in die „Drohmail-Archive“ zu verschieben. Das hat doch auch nichts mit, „ich lasse mir nicht vorschreiben, was ich schreibe und wie ich dazu stehe“ zu tun – keinen Fuß mehr hätte ich vor die Tür setzen können ohne gigantische Panik zu schieben und so ein Streifenwagen vor den Reaktionen – bitte, der wird niemanden abhalten. Das fand ich einfach menschlich und politisch/kriminalistisch unglaubwürdig dargestellt.

Nichts desto trotz hat mich dieses Buch unglaublich unterhalten, trotz des politisch brisanten Themas, dass den Leser ja vielleicht eher berühren, aufrütteln, erschrecken sollte, das tut es auch – aber tatsächlich weit weniger als es könnte.

Fazit: ein spannender Thriller ist es in jedem Fall, Unterhaltungsliteratur mit einem überaus brisanten, aktuellen Thema, mehr aber auch nicht. Müsste es das sein, sollte es das sein? Ich weiß es nicht wirklich, irgendwie habe ich das Gefühl, es hätte tiefer gehen können.