Rezension

Aktuell, zeitkritisch, deprimierend

All die unbewohnten Zimmer - Friedrich Ani

All die unbewohnten Zimmer
von Friedrich Ani

Bewertet mit 3.5 Sternen

Kein Buch für Leser, die leichte Kost bevorzugen.

Eine Frau wird auf offener Straße erschossen, ein Polizist verletzt. Im Gegensatz zu diesem Fall beißt sich das Polizeikommissariat 111 an der Aufklärung des Mordes an einem weiteren Polizisten beinahe die Zähne aus.

Fariza Nasri und Polonius Fischer, Jakob Franck und Tabor Süden, sie alle zeichneten sich bereits in vorhergehenden Büchern Friedrich Anis durch ihre Ermittlerqualitäten aus. Die sind sehr unterschiedlich, die Arbeitsweisen jeweils ungewöhnlich, so wie auch die Charaktere selbst. 

Ferner lernen wir eine syrische Familie kennen, einen Vater mit zwei Söhnen, denen das Ankommen in Deutschland nicht so recht gelingen will, Polizisten, die teilweise allzu braune Ansichten vertreten, und viele weitere Personen, die allesamt ihr Päckchen zu tragen haben. Alkoholmissbrauch, Beziehungsprobleme, Wohnungslosigkeit, Verwahrlosung, Trauma, Selbstzweifel - kaum ein Protagonist, der nicht mit mindestens einem dieser Probleme belastet ist. 

Als Ich-Erzählerin kommt lediglich Fariza zu Wort. Gleich im Prolog schildert sie ihre Begegnung mit Süden. Das stimmt mit poetischer Kraft auf die Geschichte ein und weckt sehr hohe Erwartungen.

Die kann das Buch insgesamt jedoch nicht ganz erfüllen. Zwar ist der Schreibstil äußerst niveauvoll und liefert wunderschöne Sätze und Formulierungen, schießt aber gelegentlich auf melodramatische Weise über das Ziel hinaus. Mit gewichtigen Worten wird so manche Befindlichkeit dargestellt, so mancher Hintergrund herausgearbeitet, während man vergebens auf die Entwicklung des eigentlichen Kriminalfalls wartet, der sich  im Vergleich zu dem Strudel, in den er die Beteiligten hineinzieht, als nahezu banal herausstellt.

Schwer, deprimierend liest es sich. Geprägt von Missverständnissen, durchdrungen von Tragik, läuft alles schief, was schief laufen könnte. 

Viele aktuelle Themen sind eingearbeitet. Fremdenfeindlichkeit, Frauendiskriminierung, rechtes Gedankengut - sicher ließe sich noch mehr finden. Und genau hier liegt das Problem: Wäre es weniger überladen, könnte das Buch vermutlich mehr begeistern.