Rezension

Albtraumhaftes Märchen oder märchenhafter Albtraum?

Gläsern - Rona Walter

Gläsern
von Rona Walter

Es fällt mir schwer, dieses Buch zu beschreiben.

Die Autorin bedient sich aus der reichhaltigen Welt der Märchen und Sagen, wobei vieles neu verwoben und in ungewohntem Licht präsentiert wird. Am meisten erinnert die Geschichte jedoch sicher an Schneewittchen: im Zentrum steht die schöne aber bösartige Mutter, die ihrer eigenen Tochter aus Neid auf deren Jugend und Wohlgestalt den Tod wünscht. Im Hintergrund und dennoch allgegenwärtig zieht sie mit eiskalter Berechnung die Fäden. Aber es wird z.B. auch die Legende um den mörderischen Bräutigam Blaubart in die Geschehnisse eingeflochten.

Originell ist das Ergebnis mit Sicherheit und entfaltet eine langsame, unheilvolle Sogwirkung, einen zunehmenden Abstieg vom Märchenhaften ins Albtraumhafte. Dennoch konnte das Buch mich leider in vielen Passagen nicht fesseln und ich habe mich geradezu durch die Seiten gekämpft...

Zum größten Teil lag das sicher am Schreibstil: einerseits unverwechselbar und charakteristisch, manchmal sarkastisch und schwarz-humorig, manchmal sogar regelrecht poetisch - aber leider allzu oft auch ausschweifend, umständlich und voller nebensächlicher Details. Ich fand es sehr schwer, mich auf diesen Stil einzulassen, und im Endeffekt ist es mir nicht gelungen, einen wirklichen Zugang dazu zu finden.

Die Charaktere haben ohne Zweifel Potential, aber ich hatte nur selten das Gefühl, sie wirklich kennenzulernen. Einzig für den Erzähler, den ebenso eitlen wie ängstlichen Valet Frederick, habe ich so etwas wie Sympathie entwickelt, konnte aber auch bei ihm nicht immer nachvollziehen, warum er so handelte, wie er es tat. Andere Charaktere haben mich zwischendurch kurzfristig für sich gewonnen, nur um sich dann plötzlich wieder in einer Art und Weise zu verhalten, die mich geradezu abgestoßen hat.

Auch Spannung wollte sich für mich nicht so recht aufbauen. Vielleicht liegt es daran, dass man vieles aus den verwendeten Märchen wiedererkennt? Besonders gegen Ende des Buches hatte ich statt dessen immer mehr ein deprimierendes Gefühl der Unvermeidlichkeit, und letztendlich hat mich der Roman eher ratlos und niedergeschlagen zurückgelassen als befriedigt.

Wenn ich mir die Kritiken zu diesem Buch so anschaue, ist sonnenklar, dass es vielen Lesern wesentlich besser gefallen hat als mir! Ich möchte auch nicht behaupten, dass "Gläsern" ein schlechtes Buch ist - ich persönlich habe damit nicht viel anfangen können, aber das ist eben auch Geschmacksache. Ich denke, es ist vor Allem der Schreibstil, den man entweder mag oder eben nicht, und so würde ich empfehlen, auf jeden Fall erstmal die Leseprobe zu lesen!