Rezension

Alles neu und doch stilistisch gleich

Kalt und still -

Kalt und still
von Viveca Sten

Bewertet mit 3.5 Sternen

Viveca Sten kenne ich bislang nur von ihrer Schärengarten-Krimireihe, zu der ich immer eine sehr ambivalente Beziehung hatte, denn Frust, Spannung und Unsinn gaben sich oft die Klinke in die Hand. Dementsprechend neugierig geworden bin ich bei der Ankündigung von „Kalt und still“, denn die neue Reihe verlagert das Geschehen weiter oben in den Norden an den Polarkreis und bringt auch neue Charaktere mit sich.

Auch wenn so erstmal alles neu erscheint, so habe ich doch gleich viele Parallelen entdeckt und leider auch welche, die mich eher skeptisch machen. Bei der Schärengarten-Reihe hat mich stets gestört, dass für das Marketing Thomas Andreasson genannt wurde, obwohl Nora Linda genauso ein großer Teil der Handlung war. Sie war zwar keine ermittelnde Kommissarin, aber gerade später hat sie Thomas extrem viel zugearbeitet und es wirkte immer unfair, zumal die Reihe von Anfang an auf beide ausgelegt war. Bei „Kalt und still“ findet sich im Titel hier nur Hanna Ahlander, obwohl es mit Daniel Lindskog erneut sofort eine Doppelstruktur gibt. Zudem sind beide nun auch Polizisten, da wäre es nochmal sinniger gewesen, ihn auch in die Werbung mit reinzunehmen. Sowas ist einfach ärgerlich und müsste nicht sein, weswegen ich den Verlag an der Stelle nicht verstehe.

Kommen wir aber nun zum eigentlichen Inhalt, wo wir auch Parallelen sehen, denn wir haben eben einen Mann und Frau, die beide sehr ambivalent angelegt sind und ich habe mich doch auch öfters bei dem Gedanken erwischt, dass mich die ganze Dynamik an Nora und Thomas erinnert, gerade wenn ich an Thomas und Daniel erinnere, wo wir die Überforderung mit dem Familienalltag haben, was die Beziehung belastet. Dennoch kommen auch neue Faktoren ins Spiel und bei Daniel ist das sicherlich sein Temperament, was mehrfach beleuchtet und kritisch angesprochen wird. Ich finde es ohnehin wichtig, dass die Figuren nicht aalglatt sind und bei Daniel merkt man schon deutlich, dass er eine kurze Zündschnur hat, die speziell in seinem Beruf auch gefährlich werden kann. Seine Charaktereigenschaft ist hier aber auch besonders interessant, weil bei Hanna ganz extrem betont wird, was sie vom männlichen Geschlecht hält, weil sie von Berufswegen her oft in die dunkle Seele gucken musste, wenn es um Missbrauch von Frauen, vor allem in privaten Beziehungen, geht. Noch wirkt Hanna von Daniel ganz angetan (was hier erstmal vor allem beruflich gemeint ist), aber was, wenn sie diese Zeit selbst erleben muss, die doch so ein rotes Tuch für sie darstellt? Hier blicke ich vielleicht schon zu weit in die Zukunft, aber ich sehe hier eben auch das Potenzial.

Kommen wir nun aber zum Inhalt und das war immer schon Stens große Stärke. Auch wenn ich ihr nicht nachsagen würde, dass sie spektakuläre Wendungen und Überraschungen stets parat hat, so schafft sie es doch auch immer, klare und spannende Strukturen zu schaffen, die dann in der speziellen Atmosphäre der Landschaft besonders wirken. Das ist hier zum Auftakt auch gut gelungen, zumal ich bei Daniel und Hanna auch das Gefühl hatte, dass sie ähnliche Anteile bekommen und beide viel beigetragen haben. Clever war sicherlich auch, Hannas kleinen Nebenfall schließlich auch in den großen einfließen zu lassen, was endgültig ein sehr rundes Bild ergeben hat. Zwar sind mir beide noch etwas fremd und sie wurden auch sehr extrem gezeichnet, damit wir gleich ein entsprechendes Bild von ihnen haben, aber es zeigt sich immerhin sofort, dass sie gute Instinkte haben und mutig sind. Wie üblich wurde der Fall auch wieder aus vielen Perspektiven geschildert. Das erscheint wie für Sten üblich manchmal etwas willkürlich, aber es gibt eben auch immer inhaltliches Futter, so dass man als Leser ganz eigene Puzzle dargeboten bekommt. Auch wenn ich die Lösung irgendwann erkannt habe, so will ich doch sagen, dass es lobenswert war, dass alles in einem echten Showdown endete und so die etwas abgefallene Spannung wieder aufgefangen wurde.

Fazit: Es ist sicherlich eine gute Idee von Sten, eine neue Reihe zu wagen. Dennoch ist ihr Stil ganz klar zu erkennen. Wie frisch das alles dann wirkt, kann nur die Zukunft zeigen, aber hier fand ich es im vertrauten Stil doch neu genug, um sicherlich weiterlesen zu wollen.