Rezension

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Die Kinder sind Könige -

Die Kinder sind Könige
von Delphine de Vigan

Bewertet mit 3 Sternen

Mélanie ist mit dem Fernsehen und den darin gezeigten Reality-Shows aufgewachsen. Sie wollte schon immer selbst ein Teil davon sein, sie wollte berühmt sein, gesehen und v.a. geliebt werden. Der Erfolg blieb aus und so ist sie Jahre später Hausfrau, Ehefrau und Mutter zweier Kinder. Doch genau damit hat sie nun endlich den Durchbruch geschafft, sie ist mit ihrem Kinder-/Familienkanal die erfolgreichste Youtuberin in ihrer Sparte. Der Preis dafür ist das ständige Filmen und Zeigen ihrer beider Kinder. Doch diesen Preis zahlt sie gerne, denn alle haben ja so viel Spaß dabei. Als dann ihre kleine Tochter Kimmy beim Spielen spurlos verschwindet, kommt die ganze Tragweite der ständigen Beobachtung ans Licht.

Delphine de Vigan hat mit "Die Kinder sind Könige" ein hochaktuelles Thema aufgegriffen. Viele konsumieren den Content im Internet oder TV ohne zu hinterfragen, man lässt sich berieseln und nimmt mit großem Interesse und Sensationslust am Leben anderer Teil. Doch an die Menschen, die man dabei beobachtet, denkt man kaum. Mélanie ist getrieben von dem Drang nach Aufmerksamkeit, sie will ihrem tristen und für sie lieblosen zu Hause entkommen. Sie sehnt sich nach der Liebe von anderen und als da plötzlich Menschen sind, die ihre Videos sehen und kommentieren, sieht sie diese Liebe in greifbarer Nähe. Sie kann nicht begreifen, dass andere Menschen das nicht so sehen könnten und ist fest davon überzeugt, dass ihre Kinder das genau so sehr wollen wie sie. Schließlich ist sie eine gute Mutter die weiß was gut und richtig ist für ihre Familie.

Als Gegenstück zu ihr präsentiert de Vigan die Polizistin Clara. Sie ist weniger für die Ermittlungen zuständig als vielmehr dafür den Überblick zu behalten und die Berichte und Informationen in lückenlose und korrekte Form zu bringen. Sie sieht sich im Fall von Kimmys Verschwinden alle Posts und Videos der Familie an und kann nicht glauben, was sie sieht. Diese Welt der Zurschaustellung ist ihr unbegreiflich, sie sieht die Anzeichen bei den Kindern, die Mélanie nicht sehen will.

Ich hatte mich unglaublich auf den neuen Roman von Delphine de Vigan gefreut. Doch nun weiß ich nicht so recht, was ich davon halten soll. Sie kann ohne Frage sehr gut schreiben, doch der übliche Sog, den ihre Texte sonst ab der ersten Seite auf mich auswirken, blieb aus, das Interesse an der Handlung war lange Zeit sehr gering. Das liegt v. a. an den beiden Hauptfiguren, denn weder Mélanie als verzweifelte aber alles teilende Mutter noch Clara als zurückgezogen lebende Polizistin haben mir viel gegeben, ihre Charaktere haben für mich nur an der Oberfläche gekratzt. Lange Zeit liest sich dieses Buch fast wie ein Krimi, die psychologisch feinen Beobachtungen sind zwar da, doch mir fehlte die Intensität.

Diese kam erst im zweiten Teil des Buches auf, als de Vigan die beiden Kinder sprechen lässt. Es sind Jahre vergangen, die Kinder erwachsen, doch hier offenbart sich die Vergangenheit mit all ihren Folgen. Das hat mich berührt, das konnte ich erfassen, das hatte für mich das, was die Texte von Delphine de Vigan ausmacht. Nichtsdestotrotz ist "Die Kinder sind Könige" ein lesenswerter Roman, der den Blick auf ein viel zu wenig behandeltes Thema der heutigen Zeit wirft. Menschen die alles von sich teilen, die ihre Familie mit ins Rampenlicht ziehen um sich im Glanz der Aufmerksamkeit zu sonnen und dabei vielleicht das wesentliche aus den Augen verlieren. Auch, wenn mich diese Geschichte nicht so begeistern konnte, wie erhofft, zeigt de Vigan wie immer ein Gespür für die Sprache und Themen abseits des Altbekannten.