Rezension

Alles wird gut

Das Nest - Cynthia D'Aprix Sweeney

Das Nest
von Cynthia D'Aprix Sweeney

Bewertet mit 4 Sternen

Im  Mittelpunkt von Cynthia d´Aprix Sweeneys Debütroman  “Das Nest“  stehen die Geschwister  Leo, Beatrice, Jack und Melody Plumb. Ihr Vater Leonard hatte seinerzeit für seine vier Kinder Geld in einem Fonds angelegt, das aber erst zum 40. Geburtstag von Melody, der  Jüngsten, ausgezahlt werden soll. Dieser Fonds wird von den Geschwistern  als Das Nest bezeichnet. Verwaltet wird das Geld von Rechtsanwalt George, einem Vetter. Ursprünglich handelte es sich um eine relativ bescheidene Summe, die zwischenzeitlich infolge des  Booms auf gigantische Summen angewachsen, dann aber nach Platzen der Immobilienblase drastisch geschrumpft war. Kurz vor dem Auszahlungstermin macht  Mutter Francie  von ihrem Verfügungsrecht Gebrauch und verwendet das Geld, um ihrem Ältesten, dem verantwortungslosen Playboy Leo, aus der selbstverschuldeten Patsche zu helfen. Er hat unter Drogen- und Alkoholeinfluss einen Unfall verursacht, bei dem die  19jährige Kellnerin Matilda Rodriguez einen Fuß verlor. Er muss nicht nur die junge Frau mit einer Million Dollar zum Schweigen bringen, sondern verliert die gleiche Summe bei der Scheidung von seiner Ehefrau  Victoria. Die einander ohnehin entfremdeten Geschwister verlangen von ihrem Bruder die Rückzahlung des ihnen zustehenden Betrags und streiten nur noch um Geld. Alle befinden sich aus unterschiedlichen Gründen in finanzieller Bedrängnis. Eine andere Lebensplanung als das Warten auf das Erbe scheint es nicht gegeben zu haben. Melody, Jack und Beatrice versuchen mit allen möglichen Mitteln, an Geld zu kommen, während Leo sie hinhält und schließlich abtaucht. 
Der Roman zeichnet ein teilweise satirisches, durchweg unterhaltsames Porträt vom Leben im teuren New York, wobei  es den Plumbs als Mitgliedern der Mittelschicht gar nicht einmal so schlecht geht. Allerdings haben nur Beatrice und Literaturagentin Stephanie, die immer wieder und auch während der entscheidenden Phase mit Leo zusammen ist, zum richtigen Zeitpunkt Immobilien gekauft. In Nebenhandlungen werden die Schicksale anderer benachteiligter Menschen – zum Beispiel Tommy, Vinnie oder Matilda und ihre Familie – dargestellt, die wesentlich schlechter gestellt sind.  Die vier Plumbs  und ihre Mutter sind nicht besonders sympathisch gezeichnet. Die meisten von ihnen  werden von nackter Gier geleitet, sind kalt und oberflächlich. Für alle hat der Streit ums Erbe jedoch ein Gutes: sie kommen wieder zusammen, müssen miteinander reden und sich irgendwie arrangieren. Eine Verbesserung ihrer Lage ist nur möglich, wenn sie ihre überzogenen Ansprüche zurückschrauben und für sich entscheiden, was wichtiger ist: Geld oder Familie. 
Die Autorin zeichnet das Bild einer dysfunktionalen Familie – und folgt damit einem wichtigen Trend in der zeitgenössischen amerikanischen Erzählliteratur  - , entscheidet sich jedoch nicht für eine gnadenlose satirische Abrechnung, sondern eher für einen Wohlfühlroman mit einem sehr gefühlvollen Schluss, in dem fast jeder Handlungsstrang  doch noch ein gutes Ende nimmt. Das Ergebnis ist nicht große Literatur, sondern ein amüsanter Roman, der sich nicht schlecht liest und sich für eine Verfilmung geradezu anbietet.