Rezension

Allgemeingültig, schlüssig, so philosophisch wie anrührend

Jeder von uns bewohnt die Welt auf seine Weise
von Jean-Paul Dubois

Bewertet mit 4.5 Sternen

Paul Hansen, Sohn eines dänischen Pastors und einer Kinobesitzerin aus Toulouse, sitzt in Montréal im Gefängnis - vermutlich wegen eines Kapitalverbrechens. Das Condo, eine Zwei-Mann-Zelle, teilt er mit dem Hells-Angels-Mitglied  Patrick: zwei Betten, zwei Fenster und eine gemeinsame Toilette. Patrick will Paul darin bestärken, keinen Kniefall vor dem Gutachter zu machen, der über Pauls Hafterleichterung zu entscheiden hat. Keine Reue bitte, keine Auseinandersetzung mit der Tat und der eigenen Biografie. Patrick läuft mit seinem Appell offene Türen ein, denn Paul bereut nicht. Als Icherzähler mit präzisem Erinnerungsvermögen hinterlässt der Gefangene den Eindruck eines klugen, selbstironischen Mannes, der sich der eigenwilligen Persönlichkeit seiner Eltern bewusst ist. Die Kinobesitzerin, die sich zurzeit der Studentenunruhen in Frankreich zur revolutionären Avantgarde zählt und in ihrem Kino Diskussionsveranstaltungen organisiert, und der dänische Pastor aus einer Fischerfamilie,  der auf Französisch predigt, in Frankreich aber nie Fuß fassen wird. In der Familie Hansen lernte man, mit kapriziösen Automodellen und grillenhaften Menschen umzugehen. Doch Anna Hansen hat die Dinge auf die Spitze und ihren Johanes in die Emigration getrieben. Er bewirbt sich in der Methodistenkirche einer Bergarbeitergemeinde in den kanadischen Appalachen, Sohn Paul folgt dem Vater. Wie Paul schließlich Hausmeister in einer Anlage mit Eigentumswohnungen und den Bewohnern unentbehrlich wurde, erzählt er in Rückblenden mit feinem Sinn für Ironie und präziser Kenntnis der jüngsten kanadischen Geschichte.

In jener Nacht verließ der Mann von Skagen die Wohnung, um sich irgendwo im Sand seines Zorns zu begraben.“ Wie gerät ein Mann, der solche Sätze formuliert, in die Situation, ein Verbrechen zu begehen, wer hat seinen schwachen Punkt getroffen, fragt man sich als Leser. Jean-Paul Dubois setzt mit Paul Hansen einem besonderen Menschen ein Denkmal. Er zeigt mit der Wohnanlage eine Welt im Miniaturformat,  durch Pauls Ehe mit einer Algonqin zugleich ein Stück Kanada „in the nutshell“. Allgemeingültig, schlüssig, so philosophisch wie anrührend. Dubois‘ kurzer Roman wird nicht jedem Leser gefallen, ich finde ihn unbedingt preiswürdig.