Alltägliche und doch besondere Einblicke in das Leben niederländischer Frauen
Bewertet mit 5 Sternen
Der Erzählband enthält 15 Kurzgeschichten von Autorinnen, die in den Niederlanden geboren wurden oder dorthin ausgewandert sind. Sie bieten faszinierende Einblicke in unterschiedliche Phasen des 20. Jahrhunderts. Dabei erzählen die Autorinnen keine typischen Heldengeschichten, sondern berichten von ganz alltäglichen Momenten, die genau dadurch zu etwas Besonderem werden. Die Geschichten behandeln unterschiedliche Zeiten und Schicksale und sind in unterschiedlichen Tonalitäten verfasst, sodass sie eine kurzweilige und sehr fassettenreiche Sammlung abgeben.
Äußerst amüsant ist beispielsweise die Geschichte "Linda", in der Annie M. G. Schmidt über die sexuelle Revolution in den Goldenen 20er Jahren schreibt. Einen starken Kontrast dazu bilden die Erzählungen, die rund um den Zweiten Weltkrieg handeln. Elisabeth Augustin beschreibt beispielsweise in "Vorm Fenster" eindrucksvoll die Flucht einer jüdischen Familie von Berlin in die Niederlande und wie sie auch dort den Nazis nicht entkommen können. Beeindruckt hat mich zudem "Kinderlager" von Jill Stolk. Auf nur drei Seiten vermittelt sie intensiv und trotzdem in der altersgerechten Sprache ihrer jungen Protagonistin, wie das Kriegstrauma von der Eltern- auf die Kindergeneration übergeht. Die modernste Geschichte schrieb Maartje Wortel. In "Displaced persons" interviewt eine zynische Fernsehredakteurin eine ältere Frau, die auf bewegende Weise die Liebesgeschichte mit ihrem verstorbenen Mann erzählt, wobei die unterschiedlichen Einstellungen einen faszinierenden Kontrast erzeugen. Die meisten Geschichten aus diesem Band wurden zum ersten Mal ins Deutsche übersetzt. Den Leser erwartet eine fesselnder Lesereise durch klischeefreie Momente im Leben niederländischer Frauen.