Rezension

Alltagsflucht für Fortgeschrittene

Bis an die Grenze - Dave Eggers

Bis an die Grenze
von Dave Eggers

Bewertet mit 4 Sternen

Ich habe mich sehr gefreut, als dieses hübsche, glänzende Buch endlich bei mir gelandet ist. Scheinbar haben sich die Leser mit Bis an die Grenze entweder ziemlich schwer getan oder es sehr gemocht. Das hat mich neugierig gemacht. Und gleich vorneweg: Ich gehöre zu den Lesern, die es mochten. Auch wenn ich auf den ersten Seiten hier und da über Eggers Sprache gestolpert bin. Nach ca 50 Seiten, hat sich das gegeben.

Erstaunt hat mich, wie witzig ich das Buch fand. Zwischendurch habe ich herzlich gelacht und öfter mal schmunzeln müssen. (Die Passagen über ihren Exmann? Enttäuscht, das Musical? Herrlich!) Ich kann mir aber auch vorstellen, dass manch einer gar nicht lustig findet, was Josie so alles anstellt.

Auch die traurigen und nachdenklichen Passagen haben mir gefallen. Die Stellen, an denen Josie zweifelt und mit ihren Dämonen kämpft. Die Stellen, an denen sie, Paul und Ana einfach Familie sind und ihre Sorgen vergessen können.

Ich mochte Hauptcharakter Josie in ihrer Ambivalenz. Mit ihren Zweifeln und Ängsten. Ich mochte ihr Chaos und ihre Unentschlossenheit, weil ich mich in allem davon ein kleines bisschen wiederfand. Natürlich waren nicht alle ihre Entscheidungen richtig. Josie ist schon recht verantwortungslos, aber Eggers macht verständlich warum das so ist. Jaja, manchmal will man sie packen und sagen: Nein! Fahr nach Hause! Es reicht! Aber wer könnte denn behaupten nicht den Reiz zu verstehen, der in der Flucht vor dem Alltag liegt?!

Ich bin mir noch immer nicht sicher, was ich vom Ende halten soll. Aber eigentlich fand ich es gut, dass Eggers dem Leser – und irgendwie auch Josie – viel Gedankenspielraum lässt. Bis an die Grenze ist sowieso ein Buch, über das man viel nachdenken kann, wenn man will. Über die mehr oder weniger offensichtliche Gesellschaftskritik zum Beispiel, die sich im aggressiven Radfahrer zeigt, in Ungastlichkeit, in den immer eiligen Yogamüttern, in der krebskranken Raucherin, die ihre Zahnärztin verklagt, anstatt die Zigarettenindustrie und sehr stark auch in Josie selbst.

Der Roman lebt von seiner Hauptfigur. Wer Josie mag, wird den Roman mögen. Wer sie nicht mag, wird zu kämpfen haben. Aber ich denke, wer mit ausreichend Humor und Unvoreingenommenheit an die Geschichte geht, kann seinen Spaß damit haben. Ich hatte Spaß.

Kommentare

yvy kommentierte am 09. Dezember 2017 um 19:01

Mir gefällt deine Rezi, weil sie den Nagel auf den Kopf trifft und ehrlich ist. Ich freue mich, dass dir der Trip gefallen hat. ;)