Rezension

Alpen-Punk: Urig, chaotisch, genial

Auferstehung der Toten - Wolf Haas

Auferstehung der Toten
von Wolf Haas

Als ich vor gut einem Jahr Bernhard Aichners „Totenfrau“ gelesen habe, blieb ich am Ende mit zwei Erkenntnissen zurück: Der Schreibstil war für mich einfach Kunst und entweder man liebt es oder man kann es nicht leiden. Und ich hatte festgestellt, dass ich bis dato noch nichts vergleichbares gelesen hatte. Im Laufe des Jahres las ich dann von Aichner noch „Die Schöne und der Tod“, den erste Krimi um den Totengräber Max Broll, stilistisch genauso einzigartig wie „Totenfrau“ und da früher geschrieben, quasi der Vorbote dessen, was Aichner in „Totenfrau“ zur Perfektion gebracht hat, den ganz eigenen Schreibstil. Warum ich jetzt so viel von Aichner erzähle, obwohl es hier eigentlich um Wolf Haas gehen soll? Weil „Auferstehung der Toten“ für mich stilistisch ebenso aufregend und ungewöhnlich war wie Aichners „Totenfrau“, wenn auch auf ganz andere Art. Ich will die beiden auch überhaupt nicht vergleichen, dafür ist das, was ihre ganz eigene Schreibe ausmacht, zu unterschiedlich. Aber rein vom Grad der Besonderheit her ist Haas für mich wie Aichner ein Sprachkünstler sondergleichen. Und entweder man liebt es oder man kann es nicht leiden. Und bei jeder Art von Kunst kann man sich natürlich fragen, braucht man das, muss das sein, kann das weg? In der Reihenfolge der Fragen: Nö. Ja. Und auf gar keinen Fall! Denn in den immer glattgebügelten Büchern fehlen sprachlich eben oftmals genau die Falten, die aus einem ordentlichen Stoff eine aufreibende Sache machen.

„Die Auferstehung der Toten“ zu lesen, ist ein bisschen wie schriftgewordener Punk, Alpen-Punk, weil einem der Satzbau hier quasi um die Ohren fliegt. Aber auch wieder urig, weil einem der Erzähler in lokal geprägter Umgangssprache die ganze Geschichte ausführt, als würde man im Wirtshaus einander gegenüber sitzen. Der duzt einen, erzählt von diesem und jenem, da fällt ihm hier noch was ein, da er erklärt er dort noch was, und dann musst Du aber aufpassen, dann ist nämlich die Geschichte mit dem Brenner schon halb passiert. Und irgendwie ist der Erzähler für mich auch der heimliche Star dieser Geschichte, auch wenn die Reihe sich ja eigentlich um den Privatdetektiv Simon Brenner entwickelt. Hier im ersten Band erlebt man auch direkt noch mit, wie Brenner aus dem Polizeidienst ausscheidet und warum es überhaupt dazu kommt, dass er als Privatdetektiv tätig wird. Denn eigentlich ist Brenner gar nicht so richtig der Typ dafür, meint man auf den ersten Blick. Aber in der Ruhe liegt die Kraft, stille Wasser sind tief und Brenner deckt am Ende ganz unaufgeregt aber dank ausdauernder Beharrlichkeit all die Zusammenhänge auf, die dazu geführt haben, dass in Zell am See ein Ehepaar aus Amerika tiefgefroren im Skilift aufgefunden wurde.

Also Bühne frei für den Brenner. Wobei richtiger wäre: Bühne frei für den Schreibstil. Noch besser: Bühne frei für den Erzähler. Denn der Kriminalfall ist zwar nett, aber der Erzähler, der war für mich hier das Herzstück. Deshalb liebe ich Bücher, weil einem da immer wieder so geniale Erzählstile begegnen! Ein außergewöhnlich unterhaltsames Leseerlebnis, was hier stilistisch abgeht, das ist schon irre, irre gut. Muss man nicht mögen, kann man aber lieben.

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