Rezension

Als die 1. Welle kam

Die fünfte Welle 01
von Rick Yancey

Bewertet mit 5 Sternen

… war der Strom weg, dann kam die Zerstörung, gefolgt von einem todbringenden Virus und zuletzt haben sich die Anderen etwas richtig Perfides ausgedacht. Seither gilt: traue niemanden, denn dein bester noch lebender Freund könnte in Wirklichkeit dein größter Feind sein.
Die Anderen sind gelandet oder auch nicht. Denn das Mutterschiff schwebt über der Erde und egal, wie man sich die Übernahme durch Aliens bisher vorgestellt hat, die Realität in Cassies Welt sieht ganz anders als jeder Kinofilm aus.

Denn die Jugendliche Cassie hat fast alles verloren. Die 1. Welle nahm ihr das Handy, die 2. Welle die Sicherheit, die 3. Welle raffte ihre Mutter dahin und die 4. Welle hat ihr den Vater genommen.

Was bleibt ist Cassies kleiner Bruder Sam. Von ihm wurde sie allerdings getrennt und setzt jetzt alles daran, ihn zurückzuholen, weil sie dem Kleinen ein Versprechen gegeben hat.

Endzeitszenarien und Dystopien lese ich immer gerne und diesmal haben wir es mal mit einem ausgefalleneren Setting zutun, denn die Aliens erobern die Welt!

Zu Beginn schaute ich mit Cassie nach oben zum Mutterschiff, doch da hat sich nichts getan, ich klickte mich durch YouTube-Videos, starrte ab und zu in den Himmel und führte gemeinsam mit der Protagonistin meinen Alltag einfach fort. Sollen sich doch andere um die Anderen scheren, man hat auch ohne Aliens mit dem eigenen Leben genug zutun. Und auf einmal war es still: Handys tot, Bildschirme schwarz und  die Elektronik in den Autos hat sich ebenfalls verabschiedet. Denn die 1. Welle brachte die Dunkelheit und zu diesem Zeitpunkt ahnt keiner, dass noch weitere Wellen im Anmarsch sind.

Cassie verliert wie die anderen Erdenbewohner ihr Heim, ihre Familie und damit ihre Jugend. Nur ihren kleinen Bruder weiß sie noch lebend, allerdings wurde er auf einen militärischen Stützpunkt gebracht, und sie hat ihm in ihrer Unbedachtheit versprochen, dass sie ihn finden wird.

Hinter dieser banalen Handlung versteckt sich eine komplexe Geschichte. Es werden abwechselnd mehrere Perspektiven eingenommen und nur selten bin ich so vielschichtigen und ausgefeilten Charakteren begegnet. Schon allein am Stil merkt man sofort, durch welchen Protagonisten man gerade dieses Szenario erfährt.

Anfangs empfand ich Cassie als nervende Göre, doch wer sich so viel Humor und Selbstironie sogar am Ende bewahrt, hat mich schnell um den Finger gewickelt, und besonders hat es mir ein verdammter Teddybär angetan, der mir außerdem in den ernstesten Situationen ein Lächeln abgerungen hat.

Ausgefallen ist auch der Erzählstil an sich. Teilweise gleicht er einem Bericht und obwohl ich mir bewusst bin, dass eine solche Erzählweise nicht jeden packen kann, ist es gerade diese Art, die mir meistens richtig gut gefällt. Denn Rückblenden, Erinnerungen und verschiedene Perspektiven verleihen diesem Trilogie-Auftakt eine Komplexität, wie sie mich eben begeistern kann. Auch wenn man dadurch mal genauere Informationen über militärischen Drill erhält, die vielleicht nicht unbedingt nötig sind, ist es genau diese Tiefe, die mir beim Lesen Freude macht.

Durch die verschiedenen Sichtweisen und der vielschichtig aufgebauten Handlung kommt man häppchenweise den Zusammenhängen dieses Szenarios auf die Schliche, ohne aber letztendlich alle Hintergründe zu erfahren, was ordentlich Appetit auf den Folgeband macht.

Für mich ist es ein herausragender Trilogie-Auftakt, eine Geschichte, die mich von der ersten bis zur letzten Seite gepackt, durchgerüttelt und durch die herrliche Selbstironie der jugendlichen Protagonistin unvermutet zum Lachen gebracht hat.

© NiWa