Rezension

alte Idee mit moderner Umsetzung und Charakteren, die zu überzeugen wissen

Du kannst keinem trauen - Robison Wells

Du kannst keinem trauen
von Robison Wells

Inhalt:
Nach etlichen Pflegefamilien und schlechten Schulen hatte Benson endlich etwas Glück: Er erhielt ein Stipendium für die Privatschule „Maxfield Academy“.
Doch schon die Fahrt zur Schule, nach der er von der Betreuerin Ms Vaughn einfach nur hinter den hohen Zäunen und Mauern abgesetzt wird, sorgt bei Benson für ein ungutes Gefühl.

Als die Frau dann auch noch eilig das Gelände verlässt und Benson auf die ersten Schüler trifft, erkennt er, dass die Maxfield nicht die erhoffte „gute“ Schule ist, sondern etwas ganz anderes: Es gibt keinerlei Erwachsene, die Schüler müssen alle Arbeiten – inklusive Unterrichten – übernehmen. Eine Flucht von der Schule ist unmöglich, Verstöße gegen die Regeln werden streng verfolgt – die Kameras sehen alles.

Die Schüler haben sich organisiert, die Gruppen, die unterschiedlicher nicht sein können, kämpfen um die besten Jobs und jeder hätte Neuankömmling Benson gerne im Team. Doch es kommt noch schlimmer, als Benson eine unglaubliche Entdeckung macht.
Wem kann er noch vertrauen?

Meinung:
Die Promo-Aktion zu „Du kannst keinem trauen“ hat dazu geführt, dass auch ich nicht an dem Buch vorbei kam und neugierig wurde. Nachdem ich mehr vom Inhalt erfahren habe, konnte ich es nicht lange bei mir liegen lassen.

Der Einstieg gelang leicht. Der Ich-erzählende Protagonist Benson stellt sich und seine verkorkste Vergangenheit in einigen Pflegefamilien vor, während er von der Kontaktperson der Maxfield Academy zum Schulgebäude gebracht wird, das eher einem Gefängnis gleicht: hohe Sicherheitszäune, hohe Mauern, Kameras…
Das Abenteuer beginnt aber erst, als die Erwachsene hastig das Gelände verlässt und Benson mit der Schule und all den „Regeln“ vertraut gemacht wird. Denn hier ist alles anders. Keine Erwachsenen, Jobs, die vergeben werden müssen, organisierte Strukturen, an die man sich zu halten hat. Und alle Schüler verbindet eine gemeinsame Sache: Es gibt niemanden, der sie vermissen wird.

Stück für Stück lernte ich gemeinsam mit Benson die „Banden“ von Maxfield kennen: die Society, die Havocs und die Vs. Benson muss sich entscheiden, denn ohne eine Bande ist man auf dieser Schule nahezu dem Tod geweiht.

Robison Wells‘ Idee konnte mich von den ersten Kenntnissen darüber begeistern. Schüler, die einzig mit Regeln ausgestattet zusammengepfercht werden, sind sicher nichts Neues. Ebenso wenig die Gruppenbildung und die Machtkämpfe, wobei ich schon hier die Banden selbst als äußerst gelungen empfand: Die Society, die der Meinung ist, ein regelkonformes Leben würde in die Freiheit führen, die Havocs, die einfach nur viel Macht haben und Party machen wollen. Und der Rest: Die Variants, kurz Vs, denen sich auch Benson anschließt. 
Das tiefere Eindringen in die Maxfield Academy machte aus „Du kannst keinem trauen“ dann etwas Besonderes – spätestens nach Bensons „Entdeckung“ bekam die Geschichte eine völlig unerwartete Richtung.

Der leichtgängige Schreibstil hielt mich auf den Seiten gefangen, neue „Tests“ der Schulleitung, Fluchtgedanken, Intrigen und Kämpfe konnten die Spannung auf konstant hohem Niveau halten.
Die Entwicklung von Protagonist Benson war deutlich spürbar: Anfangs wilde Unterstellungen gegenüber den „Regeleinhaltern“ um sich werfend, lernt er Zug um Zug die Hintergründe ihres Handelns kennen, überlegt, was zu ihrer Entwicklung geführt hat. Denn das System der „Schule“ ist gut ausgeklügelt. Starke Verstöße führen zum „Arrest“, von dem bislang niemand zurückgekehrt ist. Kleine Verstöße kosten die ganze Bande Punkte. Der Gruppenzwang ist daher sehr stark ausgeprägt.
Das System von Bestrafung und Belohnung lässt auch bei Benson seine ursprünglichen Pläne in den Hintergrund rücken – niemals zuvor hatte er sich gefühlt wie unter Freunden.

Zu diesem Zeitpunkt gab es einen kurzen Einbruch des Spannungsverlaufs, was jedoch nur ein kurzes Luftholen vor der großen Erkenntnis war: Dem Grund für die Titelwahl… Den ich euch natürlich nicht verrate.
Doch erst zu diesem Zeitpunkt wird die wahre Idee des Buches deutlich und die Spannung steigt proportional zum Wahnsinn, den die Charaktere durchmachen müssen. Der Autor wartet dann noch mit der einen oder anderen Überraschung auf, ehe „Du kannst keinem trauen“ urplötzlich endet. Man kann nicht einmal von einem Cliffhanger reden, ich hatte eher das Gefühl, als würde die Geschichte mitten im Satz enden – natürlich nur bildhaft gesprochen. Zum Glück erscheint „Ihr seid nicht allein“ schon im August.

Urteil:
Mit seiner Umsetzung einer bereits bekannten Idee konnte mich Robison Wells begeistern. Erst mitgerissen durch das Verhalten der Charaktere und die Gruppendynamik, bekam die Geschichte zunehmend eine andere Richtung. Überraschungen, Spannung und Brutalität inklusive. Gute 4 Bücher für „Du kannst keinem trauen“.

Wer einer scheinbar „normalen“ Academy-Story mit zahlreichen Intrigen und kleineren Sci-Fi-Elementen nicht abgeneigt ist, sollte unbedingt zum Auftakt der Reihe greifen.

Die Reihe:
1. Du kannst keinem trauen
2. Ihr seid nicht allein

©his-and-her-books.blogspot.de