Rezension

Alte Sünden

Melmoth - Sarah Perry

Melmoth
von Sarah Perry

Bewertet mit 4 Sternen

Ein in mehrfacher Hinsicht ungewöhnlicher Roman

Es ist Winter in Prag und die Übersetzerin Helen Franklin (42) ist gerade zu Fuß in der Stadt unterwegs, als sie auf Dr. Karel Pražan, einen guten Freund, trifft. Er hat ein seltsames, in deutscher Sprache verfasstes Manuskript dabei, das das Leben der Engländerin verändern wird. Es handelt von Melmoth, einer mysteriösen Frau in Schwarz. Laut einer Legende ist sie dazu verdammt, ewig über die Erde zu wandeln. Helen findet Hinweise auf Melmoth in geheimnisvollen Briefen und Tagebüchern. Sie fühlt sich verfolgt. Doch gibt es die Gestalt wirklich? Und, falls ja, was hat diese mit Helens Vergangenheit zu tun?

„Melmoth“ ist ein Roman von Sarah Perry.

Meine Meinung:
Der Roman beginnt mit einem Prolog, der aus einem mysteriösen Brief besteht. Im Anschluss ist die Geschichte in drei Teile untergliedert. Erzählt wird aus der Perspektive eines auktorialen Erzählers, der den Leser immer wieder persönlich anspricht und einige Vorausdeutungen macht. Darüber hinaus gibt es auch eine Geschichte in der Geschichte, da auch Teile des Manuskripttextes enthalten sind. Und es sind ein Auszug aus einem Tagebuch, Briefe und andere Quellen eingefügt. Die Struktur des Romans ist also recht komplex. Dennoch erschließt sich der Aufbau schnell.

Der besondere Schreibstil konnte mich begeistern. Die bildgewaltige und poetische Sprache sind eine große Stärke des Romans, der atmosphärisch dicht ist. Viele Metaphern und Symbole sind im Text zu finden. Ein aufmerksames Lesen empfiehlt sich. Allerdings fiel mir der Einstieg in die Geschichte nicht schwer.

Im Vordergrund stehen drei Protagonisten. Neben Helen und Karel spielt der Deutsche Josef Adelmar Hoffmann eine wichtige Rolle, der das Manuskript geschrieben hat. Die Charaktere sind allesamt etwas sonderbar und speziell, aber auch interessant. 

Inhaltlich verfügt das Buch zwar über viel Tiefe, hat mich jedoch zum Teil ein wenig enttäuscht. An einigen Stellen fällt die zuvor aufgebaute Spannung immer wieder ab und die Handlung wird langatmig. Thematisch finde ich den Roman darüber hinaus leider etwas überfrachtet, vor allem angesichts der recht überschaubaren Anzahl von kaum mehr als 300 Seiten. Gleichwohl kann mich die Grundthematik der Geschichte begeistern. Die Sagengestalt Melmoth ist zwar in der Literatur keine gänzlich neue Figur. Dennoch ist sie ein reizvolles Sujet. Gut gefallen hat mir auch, dass die Aspekte Schuld und Sühne ebenfalls im Fokus stehen. Insgesamt hatte ich allerdings den Eindruck, dass die Autorin ein bisschen zu viel wollte und daher noch einiges mehr nur anreißt, was die Lektüre bisweilen verwirrend macht.

Optisch ist die gebundene Ausgabe ein äußerst hübsches Schmuckstück. Die etwas düstere und doch sehr geschmackvolle Gestaltung passt gut. Schön finde ich auch, dass sich das Federmotiv nicht nur auf dem Schutzumschlag findet. Der prägnante Titel bietet sich an und wurde 1:1 vom englischsprachigen Original übernommen.

Mein Fazit:
„Melmoth“ von Sarah Perry ist ein in mehrfacher Hinsicht ungewöhnlicher Roman. Zwar konnte mich die Geschichte nicht in allen Punkten überzeugen. Dennoch wird die Lektüre wohl noch einige Zeit nachhallen.