Rezension

Alter Schwede...

Krähenmädchen - Erik Axl Sund

Krähenmädchen
von Erik Axl Sund

Bewertet mit 5 Sternen

Inhalt:

In Stockholm wird eine Jungenleiche gefunden, geschunden, missbraucht, mit schon beginnender Mumifizierung. Die Identität des Opfers bleibt zunächst ein Geheimnis. Und bevor die Polizei diesen Fall aufklären kann, wir eine zweite Jungenleiche gefunden, ähnlich zugerichtet.

Jeanette Kihlberg, engagierte Kommissarin bei der Stockholmer Polizei, versucht mit allen Mitteln, diese Fälle aufzuklären, denn für sie haben auch namenlose Opfer Gerechtigkeit und Aufklärung verdient. Auch wenn ihr eigenes Privatleben es ihr gerade derzeit nicht wirklich einfach macht, sich vollends auf diesen Fall zu konzentrieren.

Um Licht in das bizarre, von Gewalt geprägte Dunkel zu bringen, wendet sie sich an die Psychologin Sofia Zetterlund, in deren Behandlung nicht nur eins der Opfer der Mordserie war, sondern auch die sehr stark traumatisierte Victoria Bergman, die ihrer Therapeutin mehr als ein Rätsel aufgibt.

Im Nu befinden sich alle Beteiligten mitten in einer Geschichte, die von Schmerzen und den Dämonen der Vergangenheit geprägt ist und die für den ein oder anderen nicht zu ertragen ist. Stellt sich die Frage, bei wem die Schmerzen dazu führen dass er diese auf andere abwälzt, um wenigstens kurzfristig Linderung zu erfahren.

Meine Meinung:

Alter Schwede…

Ja, auch ich habe es gelesen. Und noch mal ja, es hat mir sogar gefallen. Auf gruselige Art und Weise. Und es folgt ein weiteres Ja, es war grausam, streckenweise wirklich hart an der Grenze des Erträglichen. Und jetzt kommt ein Nein, ich rechtfertige mich für meinen Geschmack nicht!

Das war jetzt kurz meine Reaktion auf den ganzen Hype, der da im Internet rund um dieses Buch, bzw. diese Trilogie gemacht wird. Ich finde, der ein oder andere Artikel selbst namhafter Journalisten, bzw. ihrer Zeitungen im Onlineformat ist da übers Ziel weit hinausgeschossen, bzw. übertreibt. Da wird alle Ernstes dieses Buch oder die Autoren angeprangert, sie würden zu absolut ins niveaulose abdriftenden Mitteln greifen, um zu verkaufen, ein Buch interessant zu machen, indem sie Kindesmissbrauch als brutalstes Mittel einsetzen. O.k., ich will nicht bestreiten, dass mich dieses Buch ziemlich mitgenommen hat, mich hat nach Luft schnappen an der ein oder anderen Stelle. Aber soll ich Euch mal was verraten? So schlimm, wie das nun dargestellt wird, ist es nicht. Im Ernst. Wer des Öfteren zum Thriller greift, dem ist Kindesmissbrauch in der ein oder andren Form, mal mehr, mal weniger ausgeprägt, doch wirklich schon ziemlich oft begegnet. Oder etwa nicht? Also! Und wer mir jetzt erzählen will, das wäre ein Schlag ins Gesicht für wirkliche Opfer solchen Missbrauchs, der sollte vielleicht mal die Fernsehzeitung in die Hand nehmen. Wie oft kommt da bitte etwas genau über dieses Thema? Reißerisch ohne Ende aufgepusht? Sogenannte Dokus? Das trifft die Opfer also nicht? Aha… Jedes Mal, wenn in Deutschland oder sonst wo ein solcher Fall ins Auge der Öffentlichkeit gerät, wird das bis zum Erbrechen ausgeschlachtet. Finde ich persönlich viel viel schlimmer, als ein rein fiktiver Roman, so wie er nun hier vorliegt.

Das dazu!

Zum Inhalt möchte ich eigentlich nicht allzu viel verraten. Eigentlich eher, wie ich mich dabei gefühlt habe.

Zunächst ist mir aufgefallen, wie flott das Gefühl da ist, was skandinavische Autoren einem so vermitteln. Es ist was ganz spezielles, was sich sofort einstellt, wenn man einen nordischen Thriller zur Hand nimmt. Das Kopfkino produziert eine ganz bestimmte Atmosphäre, das Licht, die Gerüche, das Ambiente, die Leute, das Wetter, alles ist so schwedisch, wie es nur geht. Zumindest so, wie wir uns das vorstellen! So ist es auch hier, beim Krähenmädchen.

Und dann begibt man sich zunächst wirklich recht ahnungslos auf die Reise. Fragt sich, so wie ich, warum heißt das Buch bloß „Das Krähenmädchen“? Und wartet auf eben einen Hinweis darauf (das kommt alles, später im Buch…). Und dann lernt man die Täterfigur kennen. Blankes Entsetzen. Ungläubigkeit ob der Präzision, der akribischen Vorbereitung und ja, der Durchführung. Unfassbar.

Noch unfassbarer wird es dann, wenn man glaubt, den Fall gedanklich schon fast gelöst zu haben und dann völlig auf dem Holzweg gelandet ist. Eine Schocksituation jagt die nächste. Das Staunen, wie jemand SO sein kann. Und auch die Nebenschauplätze, die man bereist, sind nicht von schlechten Eltern. Da würde man auch gern helfen, aber…

Es ist viel Grausamkeit im Spiel, was man vielleicht nicht immer gut „verpacken“ kann, was einem auch schon mal kalten Schweiß auf die Stirn treibt, weil man meint, gleich ist meine Grenze erreicht. Gleich lasse ich mir mein Frühstück noch mal ganz ausführlich durch den Kopf gehen.

Nun, wer zu diesem Buch greift, der sei gewarnt. Es ist hart. Es könnte persönliche Grenzen überschreiten. Es geht um Kindesmissbrauch, ganz übel, ungewöhnlich, schonungslos. Also bitte genau überlegen und nicht hinterher sagen, es hätte Euch keiner gewarnt!

Da ich aber nach wie vor überzeugt bin, dass die Autoren hier was Großes, schier unfassbar grausames, ganz nah an der Realität verhaftetes Meisterstück geschaffen haben und ich definitiv die beiden anderen Bände dieser Trilogie auch lesen werde lautet meine Bewertung wie folgt:

5 von 5 Nilpferden

Fazit:

Für mich ein absolutes Highlight der skandinavischen Thrillerwelt und nur zu empfehlen, wenn man sich dem Thema Kindesmissbrauch  stellen KANN in einem Buh, das Grenzen überschreitet und die Realität schonungslos wiedergibt.

Danke an den Goldmann-Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars!