Rezension

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Altertümliche Sprache, Kampfszenen ohne Ende und ein nicht ausgeschöpftes Potenzial

Nicholei - Nadine Tobien

Nicholei
von Nadine Tobien

Bewertet mit 2 Sternen

Hinweis: Mögliche Spoiler vorhanden.

--- Kurzinhalt ---

Margaretha, die Frau des Grafen, wird zu Beginn von Fürst Kellwin angegriffen – ein widerlicher Herr, der nicht damit klarkommt, dass Margaretha den Graf statt ihn zum Gemahl gewählt hat. Dann erfährt der Graf von seinem Handelsmann, dass einige seiner Transporte vernichtet wurden, wodurch einige verbündete Fürsten aus dem Abkommen drohen auszutreten. Daraufhin begibt sich der Graf auf Reise, um die jeweiligen Fürsten abzuklappern und umzustimmen.

Derweil bleibt die Gräfin allein auf dem Gut zurück, mit einem Kind unter ihrem Herzen, wovon der Graf nicht in Kenntnis gesetzt ist. Kurze Zeit später wird der Graf das Opfer einer bösen Intrige – er wird mit Vampirblut vergiftet und wandelt sich fortan zu einem Nachtwesen.

--- Lesefluss ---

Die Sprache ist sehr altertümlich, mystisch und absolut der düsteren Atmosphäre entsprechend. Ich stand mit dem Sprachstil etwas im Zwiespalt: Einerseits brachte er  mich öfters zum Stocken. Hin und wieder musste ich Sätze auch mehrmals lesen, um sie in ihrer Gänze zu erfassen. Meine Konzentration litt darunter etwas. Ebenfalls hatte ich das Gefühl, als würden manche Ausdrucksweisen keinen Sinn ergeben. Andererseits bin ich dennoch auch beeindruckt, wie man so, beinahe schon poetisch schreiben kann – auch wenn ich jetzt nicht der große Fan davon war.

Manchmal wurde auch sehr in Rätseln gesprochen, was mich zunächst stark verwirrt hat. Aber ich hatte die Hoffnung, dass das so gewollt ist und es sich im Laufe der Zeit auflösen wird – tat es für mich leider nicht.

Es gibt keine Kapitel. Es ist eine durchgehende Erzählung und es wird in die jeweiligen Perspektiven des Akteurs gewechselt. Dialoge sind selten, dafür werden das Innenleben, die Szenen und Hintergrunde besonders beleuchtet.

--- Die Nachtwesen, Hüter und Jäger ---

Die Vampire haben hier andere Bezeichnungen erhalten, was sehr zu der Stimmung und zu dem Ton des Buches passte: Nachtwesen. Die Nachtwesen scheinen überhaupt nicht böse zu sein, stattdessen wollen sie eher eine Verwandlung verhindern, da sie wissen, was demjenigen dann bevorsteht. Doch als der Graf verwandelt wird, stehen sie ihm in seiner Wandlung zur Seite – loyal, freundschaftlich, respektvoll.

Zudem gibt es die Hüter, die dafür Sorge tragen, dass ihre Art geschützt wird. Der Hüterorden toleriert es zudem nicht, dass Wandelnde in eine Raserei verfallen und unschuldige Menschen töten. Für mich hörte sich das sehr positiv an. Im Laufe der Geschichte hatte ich das Gefühl als wären die Nachtwesen, wie früher im „wahren Leben“ die Hexen, zu unrecht Opfer der Gesellschaft bzw. der Kirche.

Es sind eher die Jäger, die in diesem Buch die Rolle der Bösen erhalten haben. Die Waffen der Menschen werden für die Nachtwesen immer gefährlicher, gar tödlich. Die Nachtwesen haben sogar Angst davor, von den Menschen wie die Hexen verbrannt zu werden, sollte herauskommen, dass sie existent sind.

--- Das Besondere an diesem Buch ---

Der mystische Sprachstil ist sehr außergewöhnlich, da er, wie bereits erwähnt sehr altertümlich ist. Das hebt sich natürlich von anderen Büchern extrem ab – aber man muss sich dessen bewusst sein. Wer so etwas sehr gut findet, ist diesem Buch ggf. angetan, wer damit allerdings seine Schwierigkeiten hat, so wie ich, dem wird das Lesen nicht so viel Freude bereiten, weil man doch an sehr vielen Stellen hängenbleibt.

--- Meine Kritikpunkte ---

Ich musste viele Sätze oder Szenen doppelt lesen, um sie zu erfassen, und selbst dann ist es mir manchmal nicht gelungen. Ein Grund ist zum Beispiel, dass in mancherlei Dialogen mir nicht ganz klar war, wer da jetzt spricht. Es wurden oft Synonyme gefunden, anstatt klar und deutlich einen Namen zu nennen. Das sollte sicher geheimnisvoll wirken, aber bei mir löste es leider Verwirrung aus. Beispiel: innerhalb eines Dialogs wird »Stimme«, »Älterer«, »Gastgeber«, »er« für ein und die gleiche Person benutzt, der Name wird nicht genannt. Der andere wird als »Gast«, »der andere«, »er«, »Besucher« bezeichnet, auch hier wird der Name nicht genannt. Ich war verwirrt (doch nicht im neugierigen Sinne), wer nun spricht.

Die Wandlung des Grafen versprach eigentlich großes Potenzial, doch die Umsetzung dessen war mir dann zu oberflächlich, beiläufig, nebensächlich. Der Graf hatte für meinen Geschmack zu schnell verstanden, was mit ihm los war und zu schnell sich auch unter Kontrolle – und das immer und immer wieder, denn sein Blutrausch war irgendwie eine Endlosschleife. Was mich aber noch mehr gestört hat, war die Tatsache, dass es nur nebensächlich um Nicholei ging und es hauptsächlich eigentlich um kirchliche / politische Machtkämpfe ging. Die ersten Seiten des Buches haben wirklich spannend begonnen und dann wurde es von mal zu mal langwieriger.

Es gab unendliche viele Kampfszenen und die letzten dreißig Prozent des Buches bestanden gefühlt nur noch aus Kampf. Ich musste es dann irgendwann querlesen, denn mir war es schlichtweg zu viel. Zudem wurden manchmal neue Wesen eingeführt und schon wurden diese in einen Kampf verwickelt – für mich hatte das keinerlei Reiz. Aber als Nicholei dann Fürst Kellwin gegenüber stan, tötete er ihn mit Leichtigkeit – ebenso den Verräter aus seinen eigenen Reihen. Das war mir da dann zu einfach. Ich konnte auch den Verrat nicht nachvollziehen, habe keinerlei „Aha-Effekt“ gehabt – oder so etwas wie versteckte Hinweise, die dann alle einen Sinn ergaben. Nein, es war einfach nur trocken widergegeben.

Hintergründe zu einzelnen Figuren oder Wesen wurden trocken beleuchtet, das Lebendige fehlte dabei gänzlich – es war teilweise so, als würde ich unzählige Biografien lesen: nicht wirklich spannend.

Zudem gab es tatsächlich unzählige Rechtschreibfehler und Ausdrucksfehler, die das Lesen zusätzlich erschwerten.

Der Anfang des Buches hat noch einige Fragen aufgeworfen, deren Beantwortung ich mir im Laufe des Buches wünschte. Doch ich wurde enttäuscht, sämtliche Fragen blieben in ihrer Aufklärung geheim.

--- Mein Fazit ---

Ich habe das Buch im Rahmen einer Leserunde gelesen und deshalb aus Respekt vor der Autorin, die sich viel Mühe gemacht hat, zu Ende gelesen. Hätte ich es mir so gekauft, hätte ich irgendwann abgebrochen. Mir tut es im Herzen weh, dass ich nur 2 Sterne vergeben kann, aber für mich bestand das Buch nur aus Kampf, Kampf und nochmal Kampf. Der Anfang trug unglaubliches Potenzial mit sich, dass meiner Meinung dann durch eine fehlgeschlagene Richtung recht schnell verblasst ist.