Rezension

Amerikanisches Mittelklasse-Bullerbü

Gute Nachbarn -

Gute Nachbarn
von Therese Anne Fowler

Bewertet mit 3 Sternen

Vor einiger Zeit habe ich hier „American Dirt“ besprochen (zur Erinnerung: Konnte mich nicht überzeugen), ein Buch, das in den USA heftige Kontroversen darüber ausgelöst hat, inwieweit ein/e Autor/in ein gesellschaftspolitisch relevantes Thema beackern bzw. aus einer Perspektive schreiben darf, die er/sie nicht kennt. Was das angeht, bin ich skeptisch, denn wenn dem so wäre, würde der Krimi-/Thrillermarkt gewaltig einbrechen.

Therese Anne Fowler will dieser Diskussion aus dem Weg gehen. Deshalb stellt sie ihrem Roman erklärende Worte voran, die allerdings eher halbherzig klingen und ihre Motivation für mich nur unzureichend erklären. Die typisch politisch korrekte Argumentation einer weißen, liberalen Amerikanerin und ein Roman-Experiment, das meiner Meinung nach misslungen ist.

Fowler richtet unseren Blick auf eine Neighbourhood in Oak Knoll, North Carolina und lässt eine nicht personifizierte Erzählstimme - die Nachbarschaft – schildern, was sich dort nach dem Zuzug der neureichen Whitmans an Dramen zuträgt. Die Initialzündung ist das Fällen eines Baumes, danach öffnet die Autorin quasi die Büchse der Pandora und macht einen thematischen Rundumschlag, der so gut wie alles abdeckt, was (nicht nur) in der amerikanischen Gesellschaft schiefläuft: Ökologie, Rassismus, Klasse, Gentrifizierung, sexuelle Gewalt, um nur einige zu nennen. Alles vorhanden und schön unterteilt in Gut und Böse, nur leider nicht repräsentativ. Schauen wir auf die Zusammensetzung der Bewohner: Alle gebildet, mit angesehenen Berufen, stabile finanzielle Verhältnisse, freundlich im Umgang, keine Probleme. Man hat das Gefühl, in ein amerikanisches Mittelklasse-Bullerbü geraten zu sein. Bis der böse Umweltzerstörer alles durcheinander wirbelt. Was mich beim Lesen aber am meisten gestört hat, war diese ständig kommentierende Erzählstimme, bei der ich von Beginn an den Eindruck hatte, dass hier die Autorin jeden kritischen Einwand des Lesers vorwegnimmt und ihre eigene Position rechtfertigt. Wenig souverän.