Rezension

Amüsante Verschachtelung

Der Tote aus Zimmer 12 -

Der Tote aus Zimmer 12
von Anthony Horowitz

Bewertet mit 4 Sternen

Ich fand diesen zweiten Band der Susan Ryeland-Reihe genauso unterhaltsam wie Band eins, vielleicht sogar etwas besser. Er hat alles, was eine gute Detektivgeschichte ausmacht und das gleich zweifach. Denn Horowitz erzählt wieder eine Geschichte in der Geschichte - ein amüsanter Kniff.

Protagonistin ist – in der ersten Erzählebene – die Lektorin Susan Ryeland, die jeweils mit Todesfällen konfrontiert wird, bei denen die Bücher des von Horowitz ebenfalls erfundenen Krimiautors Alan Conway eine Rolle spielen. Irgendwann im Laufe der Handlung kommt es zum Bruch und Horowitz geht dazu über, ein Conway-Buch auszurollen bzw. lässt er seine Lektorin dieses lesen. Der Leser muss sich noch einmal komplett neu in eine zweite Geschichte eindenken. Das ist ungewohnt, kurzzeitig etwas lästig, gelingt aber alles in allem erstaunlich gut.

In einigen Rezensionen las ich, die Geschichte sei mäandernd und unübersichtlich. Sie ist verschachtelt, ja. Mir hat es Spaß gemacht, mich in diesem Labyrinth aus ständig neuen, im Grunde aber sehr vertrauten Wegen zu verlaufen. Vielleicht sind einige Verwicklungen eine Spur zu durchsichtig, andere zu konstruiert. Aber haben wir das in dieser Art Romanen nicht immer?

Horowitz schreibt klassische Whodunits und bedient sich somit der üblichen Techniken und Merkmale: Ein illustres Grüppchen Verdächtiger, ein hartnäckiger Ermittler und endlose Gespräche, in denen alle Beteiligten ihre Sicht der Dinge und zeitlichen Abläufe zum Besten geben. Ich liebe das! Und man muss diese oldschool Detektivromane wirklich mögen, um "Der Tote aus Zimmer 12" genießen zu können. Man muss Gefallen an der Langsamkeit haben, daran jeder Menge unsympathischer Zeitgenossen über den Weg zu laufen, an dem Snobismus der Figuren, den Stereotypen, den üblichen Bausteinen - zwielichtige Angestellte, habgierige Verwandte, Affären und Rachedurst. Mich amüsiert das alles auch beim x-ten Mal.

Elegant fand ich auch den Einstieg. Denn man muss sich fragen, warum Susan, die inzwischen mit ihrem Partner ein Hotel in Griechenland führt, jemals wieder ein Conway-Buch zur Hand nehmen sollte. Aber Susan ist nicht zufrieden mit ihrem Leben. Sie ist genervt vom organisatorischen Aufwand der Hotelführung und vermisst London. So ist es nicht überraschend, dass sie interessiert ist, als das Ehepaar Treherne sie um Hilfe bittet. Die Trehernes berichten Seltsames von einem acht Jahre zurückliegenden Mord in ihrem Hotel Branlow Hall und dem jüngsten Verschwinden ihrer Tochter Cecily, kurz nachdem sie »Atticus unterwegs« gelesen hatte, ein Conway-Roman über den genialen Ermittler Atticus Pünd, den Susan seinerzeit lektoriert hat. Susan beginnt wieder zu „ermitteln“. Und zu lesen.

Die Herausforderung besteht demnach darin, sich wiederholt in eine stattliche Riege von Verdächtigen einzufühlen. Liest man konzentriert, fällt dies aber nicht allzu schwer. Sonderbar ist lediglich die Art und Weise, wie Horowitz mit dem Thema Homosexualität verfährt, Es wirkt doch alles etwas schmuddelig und unzeitgemäß. Einige Sätze klingen stark homophob. Ich habe keine Ahnung, ob dem wirklich so ist oder ob Horowitz einfach gerne Klischees bedient, finde aber, man sollte sensibler vorgehen.

Fazit: Mich hat „Der Tote aus Zimmer 12“ wunderbar unterhalten. Horowitz' Einfall von der Geschichte in der Geschichte ist originell und bereichert das Genre. Leser dürfen sich über gleich zwei Detektivstorys freuen, sollten aber Konzentration mitbringen. Punktabzug für einige bizarre Sätze über Homosexuelle. Davon abgesehen hoffe ich sehr auf ein Wiedersehen mit Susan Ryeland.