Rezension

An Intensität und Poetik fehlt es

Vardo - Nach dem Sturm - Kiran Millwood Hargrave

Vardo - Nach dem Sturm
von Kiran Millwood Hargrave

Bewertet mit 1 Sternen

„Jeder Zauberer oder Gläubige, der Gott sowie sein heiliges Wort und das Christentum opfert und einen Bund mit dem Teufel eingeht, soll mit dem Tode bestraft und auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden.“ (S. 5)

Dieses Buch ist nichts für Abenteurer und sonnige Tage. Das Leben in Vardø ist düster, karg und entbehrungsreich. Die Geschichte um Maren und Ursa entwickelt sich genauso gemächlich, wie die Geschichte um Vardø und die Hexenverfolgung. Es erinnert an ein heranrollendes Gewitter, dass man schon aus der Entfernung spüren, aber nicht sehen kann. Ein großer Sturm wird erwartet, doch es weht nur ein laues Lüftchen.

 

„Doch jetzt weiß sie, wie es war, zu glauben, dass das Böse nur dort draußen hersche. Das Böse war hier, unter ihnen, es hatte zwei Beine und fällte Urteile mit menschlicher Zunge.“(S. 375)

 

Am nördlichsten Punkt im Königreich Norwegen-Dänemark gibt es 1617 auf einer Insel ein Dorf namens Vardø, dessen Männer an Heiligabend von einem Sturm ertränkt werden. Der Verlust stürzt das ganze Dorf in Trauer.

Maren hat ihren Vater, Bruder und Verlobten an den Sturm verloren. Nun lebt sie mit ihrer Mutter, die vor Trauer ein Schatten ihrer Selbst wird, und der Frau ihres Bruders, die eine Sámi und hochschwanger ist, in dem gemeinsamen beengten Haus. Sie träumt von einem Wal, der das Verderben ihres Dorfes besiegelt und sie Unheil ahnen lässt.

 

Ursa betritt Vardø 1619 mit ihrem Mann, dem Comissioner Cornet. Kurz vor seiner Reise hat er ihren Vater in Bergen kennen gelernt.

„>>Er brauchte ein Schiff, und eine Braut …<<

>>In dieser Reihenfolge?<<, flüsterte Ursa […].“ (S. 86)

Sie bemerkt schnell, dass sie in Bergen verwöhnt wurde. Dort lebte sie in einem großen Haus, mit Bediensteten und musste sich keine Sorgen um Essen oder saubere Kleidung machen. In Vardø bewohnt sie ein winziges Haus mit nur einem Raum und hat nichts als den Namen ihres Mannes. Sie bittet Maren um Hilfe.

 

In den Monaten nach dem Sturm haben die Frauen zusammen gehalten, gemeinsam die Kirche besucht und um ihre Männer getrauert. Da das Dorf häufig von Sámi besucht wird, sind den Frauen die Sámi-Rituale nicht fremd, teilweise sogar willkommen. Dies ändert sich mit dem Eintreffen des Comissioners, der ein gottesfürchtiger Mann ist. Schnell spaltet sich das männerlose Dorf in die kirke-Frauen (Kirchenfrauen) und die anderen. Mitten drin finden sich Ursa und Maren, die eine ungewöhnliche Freundschaft verbindet.

 

Die Charaktere sind zum großen Teil unverständlich in ihren Handlungen. Dass die kirke-Frauen sich dem großen, starken Mann an den Hals werfen und sich gegenseitig verpetzen, um zu seinen Lieblingen zu gehören, ist nachvollziehbar. Doch warum Marens mamma plötzlich eine Abneigung ihrer eigenen Schwiegertochter Diinna gegenüber entwickelt, warum Diinna sich scheinbar verwahrlosen lässt, warum ihr Sohn seltsam anmutet, ist unverständlich. Das ganze Verhalten beginnt bereits, bevor Vardø überhaupt von der Ankunft des Comissioners erfährt.

Maren wird im Klappentext (der Verlages) als unabhängige Frau beschrieben. Im Gegensatz zu Ursa ist jede Frau in diesem Dorf unabhängig, da sie alle Männer verloren haben und somit keine Wahl hatten. Warum Maren nun besonders unabhängig sein soll, erschließt sich nicht. Sie macht sich in der Gegenwart von Comissioner Cornet klein und möchte am liebsten unsichbar sein. Sie ist ängstlich, kann sich nicht durchsetzen und in den wichtigen Augenblicken nicht den Mund aufmachen. Sie schweigt sich aus.

 

Der Klappentext auf dem Buch verspricht einen intensiven und poetischen Roman, einen Überlebenskampf, sowie eine gefährliche und mächtige Liebe. Dies weckt hohe Erwartungen, die das Buch nicht erfüllen kann. Die Geschichte treibt langsam voran. Der Überlebenskampf ist kein Kampf. Die Charaktere sind vor allem ängstlich. Die gefährliche und mächtige Liebe bleibt vermisst.

Es ist ein Buch über das Misstrauen unter Frauen in einer männerdominierten Welt zu Zeiten der Kirche und Hexenverfolgung. An Intensität und Poetik fehlt es.