Rezension

And I can't breathe without you...

Breathe - Gefangen unter Glas - Sarah Crossan

Breathe - Gefangen unter Glas
von Sarah Crossan

Die Menschheit hat aus ihren Fehlern nicht gelernt... Aber wann hat sie das jemals?

Kurzsichtige Gier und extreme Überbevölkerung haben zur fast völligen Ausrottung der Bäume, der grünen Lungen des Planeten, geführt. Als auch die Ozeane endgültig vergiftet sind, gibt es immer weniger Sauerstoff... Die überwiegende Mehrheit der Menschen stirbt einen grausamen Tod.

Am Rande der völligen Zerstörung tritt die Firma "Breathe" auf den Plan und rettet die Menscheit: sie bauen riesige Kuppeln, gefüllt mit künstlichem Sauerstoff, in denen die wenigen Überlebenden Zuflucht finden. Strenge Regeln sollen dafür sorgen, dass möglichst wenig der kostbaren Luft verbraucht wird.

Viele Jahre später hat sich eine Art Kastensystem entwickelt.

Zum Einen gibt es da die Premiumbürger: die Glücklichen, die die besten Jobs und die politische Macht für sich beanspruchen, und die sich soviel künstlichen Sauerstoff leisten können, wie sie nur wollen - sogar für solchen Luxus wie Sport, Tanzen oder Ausflüge außerhalb der Kuppel.

Dann sind da die Bürger zweiter Klasse, die Seconds. Sie arbeiten hart, können sich nur wenig leisten und werden von der Regierung an der kurzen Leine gehalten. Sie verbringen den Großteil ihres Lebens gefangen in der Kuppel. Körperlich sind sie schwach, da sie nicht genug Sauerstoff bekommen, um Sport zu treiben oder auch nur schnell zu laufen. Finanziell sind sie geradezu arm, da sie nur die schlechtesten Jobs bekommen und viel Geld für Sauerstoff ausgeben müssen. Politisch sind sie machtlos; wie kann man sich gegen die Leute auflehnen, die die Luft kontrollieren, die man atmet?

Dennoch gibt es sie, die Rebellen. Sie stehlen strengst von der Regierung bewachte Pflanzen, im verzweifelten Versuch, außerhalb der Kuppeln die Wälder wieder zum Leben zu erwecken. Sie trainieren sich selber erbarmungslos darauf, mit geringsten Mengen an Sauerstoff überleben zu können. Sie leben lieber in der feindseligen, trostlosen Welt außerhalb der Kuppel, als sich von der allmächtigen Firma "Breathe" kontrollieren zu lassen.

Die Leben des Premiums Quinn, der Second Bea und der Rebellin Alina werden durch eine zufällige Begegnung miteinander verstrickt. Was wird passieren?

Pro:

Die Autorin hat sich eine überzeugende, nur zu realistische Welt ausgedacht. Man braucht sich nur die Nachrichten anzuhören und die Zeitungen zu lesen: der Mensch ist unglaublich kurzsichtig, wenn es um die natürlichen Ressourcen unseres Planeten geht. Die Vorstellung, dass wir es eines Tages schaffen könnten, die wichtigste Ressource von allen - den Sauerstoff - aufzubrauchen, ist nicht zu weit hergeholt

Die zentrale Idee - eine Gesellschaft, in der die Regierung die Luft, die du atmest, kontrolliert und dir jederzeit wegnehmen kann- ist eine großartige Grundlage für eine spannende Geschichte, die zum Nachdenken ablenkt. Wer fürchtet sich nicht vor dem Ersticken? Was könnte dich hilfloser machen als der Verlust der Kontrolle über etwas, dass du zum Leben brauchst?

Mir gefällt sehr gut, dass die Geschichte sich um drei jungen Menschen dreht, die alle Schichten dieser fiktiven Gesellschaft repräsentieren. Das lädt zum Nachdenken ein: wir sollen hinterfragen, was sie denken, was sie glauben, was sie für die Zukunft planen, und uns unsere eigenen Meinung bilden. Die Hauptcharaktere sind vielschichtig und glaubwürdig, und sie werden nicht schwarz-weiß gezeichnet, sondern in allen Schattierungen von Grau. Hier gibt es weder das absolute Gute noch das absolute Böse.

Die verschiedenen Erzählperspektiven werden geschickt eingesetzt: die Geschichte bleibt stimmig und kohärent, es wird nie zu verwirrend. Der Schreibstil ist klar und ansprechend, gut zu lesen und angemessen für die Zielgruppe (Teenager, junge Erwachsenen und aufwärts).

Kontra:

Quinn war mir z.T. sehr unsympathisch; er benimmt sich oft wie ein egoistisches, gedankenloses Kind. Vielleicht ist das ja nur realistisch, immerhin ist er umhütet und verwöhnt aufgewachsen, priviligiert genug, um jeden Wunsch erfüllt zu bekommen... Trotzdem hat er mich emotional nicht so berührt wie z.B. Bea und Alina.

Die Anführerin der Rebellen war mir ebenfalls ziemlich unsympathisch: einerseits ist ihr leidenschaftliches Ziel, die Bäume zu retten, verständlich und sogar nobel und lobenswert, aber in der Art und Weise, wie sie die Menschen um sich herum behandelt, liegt eine unterschwellige Skrupellosigkeit. Ob das wirklich ein Kontra ist, da bin ich mir allerdings gar nicht so sicher - vielleicht SOLL sie ein zwiespältiger Charakter sein. Vielleicht soll es uns zeigen, dass auch Menschen mit den besten Absichten auf Abwege geraten können.

Die Liebesgeschichte hat mich nicht wirklich überzeugt. In der ersten Hälfte des Buches verzehrt sich das Mädchen nach dem Jungen, den sie liebt - und lässt es sich gefallen, dass er sie niemals wirklich wahrnimmt, obwohl er anscheinend mit jedem Mädchen in Griffweite rummacht. Und dann macht es bei ihm einfach Klick und auf einmal ist sie seine große Liebe? Ich weiß nicht... Kam mir ein bisschen zu plötzlich vor!

Zusammenfassend würde ich sagen, dass ich das Buch sehr spannend und unterhaltsam fand. Die meisten Charaktere sind mir sehr ans Herz gewachsen, und ich konnte gar nicht schnell genug lesen, um herauszufinden, wie es weitergeht!
Es ist ein Buch, dass zum Fühlen und zum Nachdenken anregt.

Wer Bücher wie "Die Tribute von Panem" mag, sollte es mal mit "Breathe" versuchen!