Rezension

anders als erwartet

Verschollen in Palma - Mons Kallentoft

Verschollen in Palma
von Mons Kallentoft

Bewertet mit 4 Sternen

„Verschollen in Palma“ ist mein erster Krimi von Mons Kallentoft. Da ich gerne skandinavische Krimis lese, war ich sehr neugierig auf den ersten Band der Reihe um den Ermittler Tim Blanck. Das Cover gefällt mir sehr gut. Es wirkt wie ein schönes Urlaubsfoto, spiegelt für mich aber gleichzeitig die trügerische Stille und Schönheit von Mallorca wider, über der dunkle Wolken aufziehen. Diese Stimmung passt perfekt zur Geschichte.

Vorab muss ich zugeben, dass mir die Rezension schwerfällt, da das Buch anders ist als ich erwartet hatte. Ich nahm an, ich würde einen spannenden Krimi lesen. Somit rechnete ich hauptsächlich mit der Aufklärung eines Falles (das Verschwinden der Tochter Emme des Ermittlers) durch fortwährend voranschreitende Ermittlungshandlungen. Ich empfand das Buch beim Lesen jedoch eher als „Innenansichten eines Vaters, dessen Tochter vermisst wird“.

Das Buch ist nicht in Kapitel unterteilt. Ein neuer Abschnitt wird graphisch durch einen größeren Absatz und einen fettgedruckten Großbuchstaben gekennzeichnet. Der Anfang des Buchs ist ein Rückblick auf die Ereignisse von vor drei Jahren mit viel Gedanken und Innenansichten des Protagonisten Tim Blancks. Anschließend erlebt der Leser wie Tim als Privatdetektiv einen Fall auf Mallorca übernimmt. Im Zuge dessen lernt er/sie auch Tims Ehefrau näher kennen. Letzten Endes kommen die wahren Hintergründe um Emmes Verschwinden ans Licht. Das Ende des Buches (nicht die Aufklärung von Emmes Verschwinden, das finde ich sehr stimmig) ist für meinen Geschmack etwas zu kitschig. Handlungstechnisch lag für mich der Schwerpunkt auf Tim – seine Gedanken als Vater allgemein und wie er sein Leben der Suche nach seiner Tochter widmet.

Tim Blanck gefällt mir als Protagonist gut. Eingangs befürchtete ich, dass es sich bei ihm um eine „abgestürzte Persönlichkeit“ handelt. Da er für die Suche nach seiner Tochter seine Ehe und sein früheres Leben aufgab. Ich finde ihn jedoch sympathisch und seine Gedanken und Handlungen sind für mich sehr gut nachvollziehbar. Es ist völlig verständlich, dass er als Vater (und ehemaliger Polizist) nicht ruhen kann, bevor er weiß, was mit seiner Tochter passiert ist. Mit seiner Ehefrau kann ich nicht viel anfangen. Ihre Gedanken und Handlungen lassen sich nach solch einem schrecklichen Ereignis sicher psychologisch erklären. Ich konnte mich aber nicht wirklich in sie hineinversetzen.

Der Schreibstil hat mir sehr gut gefallen. Er ist ungewöhnlich, aber passt sehr gut zum Buch. Die oft kurzen fast schon abgehakten Sätze geben das Nacht- und Partyleben von Palma wieder. Der Schreibstil versetzt mich beim Lesen direkt in eine dieser dunklen Nächte mit ihrem pulsierenden Leben. Dazu passen auch die kurzen englischen Sätze und Emmes Nachrichten in ihrem „Teenager-Englisch“. Mich nervt es zwar etwas, aber das tut es im wahren Leben auch, denn viele Teenager, die ich kenne, sprechen und messagen tatsächlich so. Hinzukommen noch die schnellen Wechsel zwischen Gegenwart und Vergangenheit gepaart mit dem Wechsel verschiedener Perspektiven.

Fazit: „Verschollen in Palma“ war für mich nicht der Krimi, den ich erwartet hatte. Es ging mir zu viel um den Ermittler als Vater mit all seinen Gedanken und Gefühlen. Ich werde die Reihe auch nicht mehr weiterverfolgen, da ich der Meinung bin, dass diese Geschichte für sich alleinsteht und keiner Fortsetzung bedarf. Möchte man jedoch ein Buch lesen über einen Vater mit ermittlungstechnischem Hintergrund, der sich die Aufklärung des Verschwindens seiner damals minderjährigen Tochter zum Lebensziel machte, dann kann ich dieses Buch wirklich empfehlen. Tims Innenansichten wirken auf mich absolut authentisch und nachvollziehbar. Schreibstil und Erzählweise empfand ich als außergewöhnlich und perfekt zur Geschichte passend. Insgesamt vergebe ich daher vier Sterne (als Krimi drei Sterne und fünf für „Innenansichten eines Vaters“ = 8:2=4).