Rezension

Anders als erwartet. Dramatisch & trotzdem gut ...

Der Dichter der Familie - Grégoire Delacourt

Der Dichter der Familie
von Grégoire Delacourt

Bewertet mit 4 Sternen

Édouard ist sieben, als er sein erstes Gedicht schreibt und der Familie vorträgt. Begeistert, mit viel Lob und Applaus nehmen sie es auf und in dem Augenblick steht fest, er wird später Schriftsteller. Doch so leicht sind vorformulierte Träume nicht. Édouard scheitert, in der Liebe, als Schriftsteller und irgendwie scheint ihn dieses Schicksal, in die Wiege gelegt, denn seine Umgebung zerbricht, in viele Einzelstücke. Wie soll er da nur ans Schreiben denken und warum, wird das immer von ihm verlangt? Sein Vater meinte mal zu ihm, „Schreiben heilt“, davon hat er bis jetzt nichts gemerkt und fühlt sich in seinem eigenen Leben als Versager. Was macht dieser Traum aus ihn? Findet er wirklich nie die richtigen Worte? Und folgt nicht nach einem Abstieg auch wieder der Aufstieg?

Letztes Jahr habe ich mein erstes Buch von diesem Autor gelesen und mit „Die vier Jahreszeiten des Sommers“ konnte er mich total überzeugen. Ein richtiges Sommerbuch, zum entspannen und genießen. Natürlich wünschte ich mir dieses gleiche Wohlgefühl bei dieser Geschichte und der Klappentext sorgte für Vorfreude und liess auf großes Lesevergnügen hoffen. Ob mich der Autor auch dieses mal begeistern konnte, erzähle ich euch jetzt.

Im Mittelpunkt des Buches steht Édouard, der älteste Sohn von drei Kindern. Auf dem ersten Blick scheint es eine ganz normale Familie zu sein, aber der Schein trügt. Es ist alles andere als leicht. Der Vater war im Krieg, und als er wieder nach Hause zurückkehrte, wurde er sofort mit seiner Jugendliebe verheiratet. Sein wohl bedeutendster Satz im Leben, ist wohl „Mach den Mund auf, sonst entscheiden andere dein Leben“ und das, zieht sich durch die ganze Geschichte. Verpasste Chancen, schlechte Planung, unerfüllte Sehnsüchte und Depressionen beschreiben diese Familie. Das Drama schleicht sich leise an und wütet dann Schlag auf Schlag. Tja, und Édouard mittendrin. Er ist da leider wie sein Vater, lässt vieles geschehen, was er gar nicht möchte, weil er nicht die richtigen Worte findet. Überhaupt sucht er die richtigen Buchstaben und statt diese zu finden, ist er der gutmütige Tropf, der dann die Verantwortung trägt. Dabei könnte sein Leben gar nicht so schlecht verlaufen, statt Schriftsteller, ist er nämlich Werbetexter geworden und das ziemlich erfolgreich. Aber trotzdem fühlt er sich als Versager, da er das Buch, von dem alle reden, immer noch nicht veröffentlicht hat.

Die ganze Geschichte handelt eigentlich von Träumen, Hoffnung und Sehnsüchte, die sich alle nicht erfüllen und einige dran zerbrechen. Es sind die Wünsche, die man sich im Leben ersinnt und an denen man zerbricht. So wünscht sich die Mutter Liebe, der Vater sein Leben und eine Tochter, einen Märchenprinzen oder Édouard sein Buch. Oft sind es eigene ersponnene Träume, oder die in die Wiege gelegten. Allerdings haben beide was gemeinsam, sie machen das Leben nicht einfach und manche sollen eben nie in Erfüllung gehen.

Grégoire Delacourt nimmt sich hier einer traurigen Geschichte an, und obwohl ich sein Blick in das realistische Leben mag, war die Melancholie und die dramatische Steigerung schon recht überraschend und machte beim Lesen unglaublich wehmütig. Er erzählt nämlich nicht allein die Geschichte dieses jungen Mannes, sondern einer ganzen Familie und diese ist einfach schrecklich traurig. Der Anfang ist noch recht beschwingt, aber schnell kommt die Wende, Internat, Klinik, Scheidung, ungewollte Heirat, und wenn man aus dieser hinabschleife, ausbrechen möchte, schlägt auch noch das Schicksal zu. Édouard‘s Geschichte lehrt uns einfach, nicht immer an allen fest zuhalten, auch mal auf den Tisch zu hauen und statt die richtigen Worte zu suchen, einfach überhaupt was zu sagen.

Dabei benutzt der Autor leichte, sogar fast zarte Töne. Er haucht seinen Figuren Liebe ein und so leidet man, einfach schrecklich mit. Dabei verwendet er auch ganz gern gezielte Kosenamen, die einen manchmal etwas verwirren, es aber mit jeder weiteren Seite charmanter machten. Tja, und obwohl es recht schwermütig ist, habe ich es gern gelesen. Die Art des Erzählens und seine Figuren wachsen einen einfach ans Herz. Man leidet zwar furchtbar mit und möchte gern eingreifen, gibt aber auch nicht auf zu hoffen. Ich fand es wieder toll zu lesen, wünschte mir aber, dass er uns noch ein bis zwei Kapitel mehr gegönnt hätte, um die aufgewühlte Seele wieder träumen zu lassen.

Der Dichter der Familie ist eine ruhige und dramatische Familiengeschichte, die sehr sensibel, aber auch mit vielen Schicksalsschlägen erzählt wird und uns zeigt, dass Träume zwar wichtig sind, wir sie aber nicht immer einhalten können im Leben. Es ist nämlich immer Zeit, Neue zu erträumen.