Rezension

Anders -bizarr-faszinierend

Die Musik der Stille
von Patrick Rothfuss

Bewertet mit 4 Sternen

~~Abgeschieden von der Zivilisation in einem unterirdischen Gewirr aus Tunneln und verborgenen Räumen, lebt Auri. Die Gründe ihrer selbstgewählten Einsamkeit bleiben dem Leser ebenso verborgen wie weitere Details ihrer bisherigen Biografie. Sie ist die Hüterin einer Welt unter der Oberfläche des Offensichtlichen. Mit einer mysteriösen Wahrnehmung begabt betrachtet sie alle Dinge um sich herum wie Wesen mit einer eigenen Seele, die es zu umsorgen gilt. Als Auri vom bevorstehenden Besuch eines Freundes erfährt, beginnt sie, von ihrem bizarren Ordnungssinn getrieben, dessen Ankunft vorzubereiten.

Man liebt dieses außergewöhnliche Buch oder man hasst es. Ein Dazwischen ist nicht möglich. Aber in keinem Fall sollte man es mit der Erwartungshaltung beginnen, einen vergleichbaren Text aus Rothfuss‘ bisheriger Feder zu erhalten. Diese kurze Erzählung hat nichts, absolut nichts, mit den übrigen Rothfuss-Romanen zu tun. Hier gibt es quasi keine Handlung. Keine Auflösung irgendwelcher Geheimnisse. Hier gibt nur eines: Sprache! Eine Sprache, die wie ihre Protagonistin Auri, scheu das innere Wesen hinter dem äußeren Schein aller Dinge beschwört. Eine Sprache, die durch klangmalerische Neuschöpfungen (Kompliment an die Übersetzung!) Assoziationen sichtbar macht und neue weckt.

„The slow regard of silent things“ lautet der englische Originaltitel und kann zugleich als Anleitung zur Lektüre verstanden werden. Nur mit Langsamkeit kann man sich dieser Geschichte nähern, die eigentlich gar keine Geschichte sondern eine Aneinanderreihung von Beschreibungen ist. In dieser von ständigen Wiederholungen getriebenen Handlung wird man kein Tempo erfahren, aber etwas das weitaus effektiver ist: einen Sog, eine Kraft, die einen in die Tiefe der eigenen Phantasie zieht.
Wie gesagt: Man wird es lieben oder hassen. Ein Dazwischen ist nicht möglich. Ich habe es geliebt

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