Rezension

Anfangs etwas zu sehr psycho, dann wirklich gut

Im Dunkel der Schuld - Rita Hampp

Im Dunkel der Schuld
von Rita Hampp

Bewertet mit 4 Sternen

~~"Im Dunkel der Schuld" ist der erste Psychothriller aus der Feder von Rita Hampp. Der Titel auf der Buchrückseite bringt das ganze Geschehen wirklich gut auf den Punkt: "Die Vergangenheit ist nie zu Ende"...

Kein Mensch kann sich gänzlich von seiner Vergangenheit lösen, sie ist immer ein Teil von uns. Sie formt uns, sie bewegt uns vielleicht noch viele Jahrzehnte später, man kann sie nicht ablegen und ungeschehen machen. Wohl dem, der auf eine schöne Vergangenheit zurückblicken kann, doch was ist mit den Menschen, die schon früh traumatische Erlebnisse verarbeiten mussten? Was wird aus diesen Menschen, wie überwinden sie die Schatten ihrer Vergangenheit - wenn sie es denn überhaupt können?

Das ist das Hauptthema dieses sehr berührenden Psychothrillers, der besticht durch Spannung und Realitätsnähe. Aber erst mal kurz zur Story:

Ebba ist eine erfolgreiche Galeristin und eine sehr unabhängige Frau. Ihr Freund Jörg ist ihr manchmal fast lästig, sie braucht sehr viel Freiraum und fühlt sich schnell eingeengt. Man erfährt bald, dass dies mit traumatischen Erlebnissen in ihrer Kindheit zu tun hat: ihr Vater hat sie und den Rest der Familie mit allerlei Strafen gequält.
Die Tyrannei des Vaters hat aber nicht nur bei ihr Spuren hinterlassen. Auch ihre Geschwister Georg und Rosie lassen allerlei Spätschäden der Misshandlungen erkennen: Waschzwang, Kontrollzwang, etc.
Dann wäre da noch die Mutter Frieda. Sie hat ihren eigenen Weg gefunden, um mit den Qualen umzugehen: sie flüchtet sich in den Glauben. In endlosen Gebeten sucht sie ihr Seelenheil und entfernt sich dadurch immer mehr von der Realität und von ihrer Familie.
Trotz allem besteht Ebba auf einem gemeinsamen Weihnachtsessen, das leider in einem Desaster endet. Die Erinnerungen an die Kindheit und den mysteriösen Unfalltod des Vaters sind allgegenwärtig.
Kurze Zeit später wird Georg tot aufgefunden: sein angeborener Herzfehler wurde ihm zum Verhängnis. Ausgerechnet in einem Aufzug musste er sterben, obwohl er diesen niemals freiwillig benutzt hätte.
Ebba hat große Zweifel an der natürlichen Todesursache, zumal ihr Bruder in letzter Zeit sehr verstört wirkte. Doch die Polizei kann nichts Verdächtiges finden und stellt die Ermittlungen ein.
Georgs Tod ist aber erst der Anfang... Ebba wird immer tiefer in den Strudel aus Zweifeln, Misstrauen und panischen Ängsten gezogen. Und alles deutet immer wieder auf die Erlebnisse der Vergangenheit hin - hier liegt der Schlüssel zu allem verborgen. Ob sie ihn noch rechtzeitig finden kann, um sich zu retten?

Meine Meinung:
Mit der ersten Hälfte des Buches tat ich mich noch etwas schwer, wie ich leider zugeben muss. Das lag aber nicht am Schreibstil, der ist nämlich flüssig, anschaulich und einfach gut. Auch Zeitsprünge sind sehr gut gesetzt und bringen Leben in die Geschichte.
Womit ich mich erst nicht recht anfreunden konnte, das waren die Protagonisten: jedes einzelne Familienmitglied war mit so vielen Zwangsstörungen behaftet, die auch ausführlich thematisiert wurden. Da ich mich beim Lesen gerade selbst in nicht so guter Stimmung befand, haben mich die Personen einfach nur furchtbar genervt. Dazu kam noch, dass ich sie als grenzenlos naiv empfand. Die sprichwörtlichen Lämmer und die Schlachtbank...
Aber dann wird die Geschichte doch sehr spannend, die Autorin versteht es vorzüglich, Zweifel zu säen. Mein Hauptverdächtiger hat sich am Ende als unschuldig erwiesen.
Ebbas Gefühlswelt wird sehr gut und glaubhaft beschrieben und ihre Erlebnisse und Handlungen laden ein zum Mitfiebern. Man überlegt sich plötzlich, ob man nicht doch besser das Licht anknipsen sollte, wenn man nachts kurz mal ins Bad muss.
Am Ende wird alles schlüssig aufgelöst, es bleiben keine losen Enden. Die Geschichte wirkt insgesamt glaubhaft und erschreckend real.

Fazit: 4 von 5 Sterne und die Empfehlung, das Buch nur zu lesen, wenn man nicht selbst gerade in schlechter oder depressiver Stimmung ist! :)