Rezension

Anfangs verwirrend, doch dann geht es ab

Dein Ende
von Chris Brookmyre

Man könnte diesen Thriller auch mit Szenen einer Ehe titulieren. Denn es geht um die Beziehung zweier Menschen, ihr Kennenlernen, ihre Annäherung, ihr Leben und schließlich ihr Zusammenbruch.

Die Oberärztin Diana Jaeger hat vor einigen Jahren in ihrem Blog viele Männer gegen sich aufgebracht. Ihre feministischen Gedanken ging vielen zu weit, besonders den IT Leuten ihrer Klinik, in der sie arbeitete. Sie erntete einen Shitstorm, der in sämtlichen großen Medien landesweit überkochte. Das ging soweit, dass sie kündigte und die Stadt verließ, um in einer anderen Klinik weit weg eine neue Anstellung zu finden. Ihr gestörtes Verhältnis zu Männern ist extrem. Doch sie lernt bei einem Problem an ihrem Dienst-PC Peter Elphinstone, den IT-Supporter bei ihrem neuen Arbeitgeber, kennen. Der krempelt ihr gesamtes Leben um. Bis er plötzlich verschwunden ist und Diana von der Polizei verdächtigt wird, etwas mit seinem Verschwinden zu tun zu haben.

Zunächst einmal möchte ich voranstellen, dass es sich um eine sehr spannende Geschichte handelt. Aber - und das führt zu einem Punktabzug - die Montage der Szenen ist teils chaotisch, der Beginn ist katastrophal und ich brauchte etwa 80 bis 100 Seiten, um hinein zu kommen. Dann aber zog er mich richtig hinein und ließ mich nicht los. Es wird also jeder reichhaltig belohnt, der die ersten 80 Seiten durchhält. Bis dahin unterdrücken lange Monologe und Gedanken der Protagonisten die Lust am Leben. Hervorragend dagegen dann wieder die Erzählform in der ersten Person, mit der der Leser Dianas Blick, ihre Sichtweise auf das Geschehen erfährt. Bei dem Geschehen handelt es sich um einen Unfall, der durch Streifenpolizisten aufgeklärt werden soll. Zwischen der Polizistin und ihrem neuen Kollegen beginnt es zu knistern, was die Spannung zusätzlich erhöht. Während die Arbeit der Polizei und die eines Journalisten aus normaler Perspektiven im parallelen Strängen erzählt wird, werden manche Geschehnisse aus der Sicht von Diana zwar redundant erzählt, aber es ist schließlich auch eine wirklich komplett andere Sichtweise. Erst dadurch wird der Leser gezwungen, seine Theorien, die er sich in seinem Kopf zu dem Hergang des Unfalls gebildet hat, immer wieder aufs Neue umwerfen. Nichts, absolut nichts, ist, wie es scheint. Und dieses nicht nur auf das Ganze bezogen, sondern tatsächlich auch in jedem Strang.

Am Ende des letzten Satzes stand nur ein einziger Gedanke in meinem Kopf: Wow! Schade, dass der Anfang so verwirrend war. Gut, dass ich durchgehalten habe. Fulminante Empfehlung meinerseits mit der Bitte durchzuhalten.

 

© Detlef Knut, Düsseldorf 2019