Rezension

Angenehm und abwechslungsreich

Die zehn Lieben des Nishino - Hiromi Kawakami

Die zehn Lieben des Nishino
von Hiromi Kawakami

Bewertet mit 4 Sternen

Einsamkeit trotz immerwährender Beziehungen

„Nishino zu küssen war wunderschön. Schöner als alles, was ich bisher gekannt hatte. Und doch fühlte es sich einsam an. Es war der einsamste aller Momente von Einsamkeit, die ich je erlebt hatte.“

 

Inhalt

 

Nishino sucht die Liebe seines Lebens, die immerwährende, alles umfassende Liebe, die er mit jeder neuen Frau an seiner Seite entdecken möchte. Doch trotz seiner Zuneigung zum weiblichen Geschlecht, seines Charmes und der Fähigkeit, jeder Frau das zu geben, was sie bisher nicht einmal vermisst hat, bleibt er ein Einzelkämpfer. Ein Mann, der sich über die Unendlichkeit des Universums beschwert, der seltsam unverbindlich und gleichermaßen fordernd auftritt. Der heiraten möchte und alle Frauen liebt, der während einer Beziehung mit der einen gleich noch die nächste Bekanntschaft pflegt. Ein Mann, der innere Verbundenheit sucht und doch nur oberflächliche Zuneigung findet. Eigentlich tritt er kaum in Erscheinung, ist manchmal schon wieder verschwunden, während er eine neue Liebe entdeckt und hinterlässt immer seltsam bestürzte Frauen, die sich unablässig fragen, ob sie ihn nicht lieben können, weil er so ist wie er sich gibt oder die ihn gerade deshalb verehren und ihn nur nicht halten können, weil sie ihn selbst zu wenig lieben.

 

Meinung

 

Die japanische Autorin Hiromi Kawakami, die bereits zahlreiche Literaturpreise ihres Landes für sich beanspruchen konnte, setzt mit ihrem neuesten Buch einem sehr unbestimmten Mannsbild ein Denkmal und schafft mit ihrer Erzählung, aus der Perspektive der Frauen ein stimmiges Gleichnis über die Unberechenbarkeit der Liebe.

Der Schreibstil selbst besticht durch leise, unaufgeregte kleine Erzählungen, bei der jede Frau dem Charakter des Nishino ein weiteres Attribut hinzufügt. Dadurch kann der Leser diesen besonderen Mann nach und nach immer besser einschätzen und wird sich bald darüber bewusst, worin die Kunst dieser Liebe bestehen mag, oder im Gegenteil, welche Ursachen immer wieder dazu führen, dass eine hoffnungsvolle Beziehung zerbricht.

Das Porträt des Herrn Nishino macht deutlich, wie Einsamkeit auch in andauernden Paarbeziehungen vorhanden sein kann, warum es immer leichter scheint sich einen neuen Partner zu suchen, wenn der gegenwärtige nicht mehr die eigenen Bedürfnisse erfüllt. Aber sie zeigt ebenso die Kehrseite der Medaille – ein ständig wechselndes, unverbindliches Zusammenleben ohne allzu tiefe Gefühle und nur wenige Entbehrungen.

Im Kern spürt man die Melancholie und Schmerzanfälligkeit dieses Mannes, der es nicht vermag, Konstanz in seine Beziehungen zu bringen. Dabei finde ich es sehr gelungen, wie wertungsfrei und offen die Autorin sein Verhalten aber auch das seiner Gefährtinnen darstellt. Wer kann etwas dafür, wenn Partnerschaften im Sande verlaufen? Warum ist es nicht nur die Treue, die Menschen an einander binden kann? Findet wirklich jeder irgendwann im Leben den passenden Partner? All diese teilweise philosophischen Betrachtungen fliesen in den Text hinein, ohne explizit genannt zu werden – dieses literarische Spiel mit den Figuren hat mir sehr gefallen, denn sie bleiben alle irgendwie substanzlos und dennoch bringen sie die Geschichte voran.

Ein klitzekleiner Schönheitsfehler, der mich etwas gestört hat, war das ineinander verschlungene Netz der Geschichten, die weder chronologisch noch mit deutlich verschiedenen Stimmen erzählt werden. So richtig kann man da nicht mitzählen, wie viele Frauen es tatsächlich waren, wer welche Ansprüche hatte und warum sie nicht erfüllt wurden. An dieser Stelle hätte ich mir vielleicht mehr Klarheit gewünscht, um die Frauenfiguren noch etwas besser einordnen zu können. Rückblickend betrachtet bleibt nur die Tatsache, dass es viele waren, die alle nicht fanden, was sie suchten.

 

Fazit

 

Ich vergebe 4 Lesesterne für diesen faszinierenden Roman über die Liebesfähigkeit eines Menschen, die sowohl fiktiv sein könnte als auch auf Realität basierend. Es ist kein klassischer Text über eine Person, die man vielleicht kennen könnte, doch die Verhaltensweisen an sich erscheinen äußerst plausibel. Zurückhaltung, Abstand und eine gewisse Distanziertheit bleiben bestehen, doch umso intensiver entfalten sich die diversen Interpretationsmöglichkeiten, die noch dazu sehr fremd und unbestimmt wirken.

Wer sich auf dieses Gedankenexperiment einlassen kann, findet hier Zugang und einen ungewöhnlichen Ansatzpunkt, dennoch hatte ich das Gefühl, nicht restlos in die Erzählung und ihre Tiefe vordringen zu können. Vielleicht bietet sich hier ein zweimaliges Lesen an, um noch mehr zu entdecken.