Rezension

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Angie Sage hat bereits schlüssigere Geschichten geschrieben

Silberdrache - Angie Sage

Silberdrache
von Angie Sage

Bewertet mit 3 Sternen

Das neue Werk von Angie Sage zu beurteilen fällt mir wirklich schwer, da ich ihre Bücher eigentlich sehr schätze. Aber ich will es einmal versuchen. Dabei nicht zu spoilern funktioniert leider gar nicht.

Inhaltlich ist es der Auftakt zu einem Mehrteiler. Die Protagonisten zweier Welten werden eingeführt.
Da ist zum einen Sirin aus dem London unserer Gegenwart. Sie hat kein leichtes Schicksal; ihre Mutter, die sie sehr liebt erkrankt schwer und Sirin erfährt das Schicksal vieler Kinder, die dann von Ämtern betreut in eine Pflegefamilie gegeben werden. Doch Sirin liebt auch die Geschichten um die Drachen, die einst auch in unserer Welt gelebt haben sollen und diese geben ihr Kraft und Halt.
Im Verhältnis zu den noch folgenden Charakteren ist Sirins Geschichte in diesem Buch sehr kurz gehalten. Zum Teil erscheint es mir, dass die Stellen, an denen ihre Geschichte erzählerisch aufgegriffen wird zwar sehr bewusst an den entsprechenden Stellen eingebaut wurde. Doch irgendwie unterbrechen sie die parallel erzählte Geschichte eher, als dass sie gut integriert wirken.
Und dann ist da Geschichte um den Silberdrachen Lysander und die Geschwister Joss und Allie in eben der anderen Welt.

Und da bin ich irgendwie hin- und hergerissen. Mit dem Erzählstil der parallelen Handlung hatte ich keine Probleme. Doch die Welt, die Angie Sage aufbaut wirkt nicht so harmonisch, irgendwie ein wenig konstruiert.
Also es ist die Welt, in die die Drachen nebst den Raptoren und deren Bundesgenossen (Raptoren = Drachen, die durch Manschen aggressiv gemacht wurden und Menschenfleisch als Nahrung sehr mögen) einst gezogen sind.
Zunächst hatte es für mich dann den Anschein, dass es sich dabei eher wieder um eine fantastisch überwiegend mittelalterlich geprägte Welt handelt. Aber da dort auch der Begriff Armbanduhr und Nachtsichtfernglas bekannt ist wirkte es irgendwie in der Weltbeschreibung nicht mehr so konsistent. Nicht, das fantastische Welten derartige Dinge nicht kennen könnten, aber so wie diese in der Handlung auftauchten, passte es irgendwie nicht recht.
Zudem ist die Beschreibung der ganzen Tradition um die Familie Lennix auch nicht recht schlüssig (zumindest für einen erwachsenen Leser). Anscheinend gibt es nur diese Familie, die das schrecklich Böse und Übel dieser Welt darstellt, denn sie allein hat Raptoren und beherrscht diese. Da stellt sich mir die Frage: Warum? Die Familie besteht aus 6 Mitgliedern (Eltern und Kinder), die die Hand über sämtliche Raptoren haben, vor denen alle kuschen (denn Raptoren sind brutal, die Frauen der Familie im übrigen auch und die Männer naja irgendwo dazwischen und eher mal fies). Die Menschen auf der Lennix-Festung sind entweder Diener oder Sklaven und alle haben irgendwie Angst an die Raptoren verfüttert zu werden. Und hier liegt der Aufhänger für die Handlung – die Familie Lennix sucht zu Handlungsbeginn ein silbernes Drachenei um aus dem schlüpfenden Drachen einen Raptor zu machen, denn Silberdrachen können das Portal zu unserer Welt öffnen. Die Lennix brauchen dieses Ei, denn in ihrer Welt geht das Lieblingsfutter der Raptoren zur Neige und damit diese sich nicht gegen ihre Herren wenden, ja da benötigt man anscheinend eine neue Quelle.

Doch da kommt Joss ins Spiel. Der Junge findet das Silberdrachenei und als der kleine Drache wenig später schlüpft, geht Joss mit diesem einen Bund ein. Ja, das haben Drachen auch ganz ursprünglich gerne gemacht, denn dadurch wird man ja kein Raptor. Die Geschichte um das Verhältnis von Joss und den Silberdrachen Lysander ist wirklich ganz schön. Joss wird jedoch zu sehr in die stereotype Rolle des naiven Jungen gedrängt, der immer wieder auf das verschlagene Böse herein fällt. Doch da ist noch seine ältere Schwester Allie, die den kritischeren Part der beiden übernimmt.
Die Geschichte die die beiden erleben ist eigentlich ganz nette Fantasy, aber auch nicht mehr.

Und damit komme ich zu dem Kern des Buches, der derzeit sehr zwiespältig von den Lesern, die das Buch bereits gelesen haben diskutiert wird.
Es geht um die Brutalität, die in diesem Buch beschrieben wird und ob man das Kindern ab 11 Jahren eigentlich zumuten kann.
Das Thema sehe ich auch sehr zwiespaltig.
Das die Raptoren Menschen jagen und fressen stört mich persönlich nicht wirklich und ich denke, dass auch Kinder mit der Vorstellung an und für sich gar nicht so sehr Probleme haben. Immerhin, schaut man sich Kinder an, die Ninajas oder Dinos oder Ritter spielen – die haben kein emotionales Problem damit zu sagen: ‚Du wurdest gefressen. Du bist tot usw.‘
Auch die Beschreibung der schlechten Charaktereigenschaften der Lennix-Familie finde ich nicht schlimm. Sie wurden sehr geradlinig als böse, brutal, intrigant und verschlagen dargestellt. Und ich denke, dass das die Autorin sehr bewusst so ganz vordergründig getan hat. Auch die Darstellung der Londoner Mädchengang mit den Messern entspricht leider heutigen Gegebenheiten. Das ist alles nicht all zu schön, hat aber Ansätze mit denen sich Heranwachsende ruhig einmal auseinandersetzen sollten.
Doch einzelne Szenenbeschreibungen, wie Brutalität und Bosheit umgesetzt werden und sich auswirken, da war ich dann als Erwachsener dann doch am Überlegen, ob ich das meinem Kind als nette Fantasyliteratur für den Nachmittag zu lesen geben würde. Da hat auch für mich das Buch zu weit über das Ziel hinausgeschossen.

Und so kann ich mich leider nur in die Reihen derjenigen einordnen, die von Angie Sage irgendwie etwas anderes, besseres erwartet hätten.
Ja, es ist Fantasy und vom Schreibstil her auch wirklich als Kinder- und Jugendbuch gedacht. Die Kerngeschichte um die Freundschaft der Menschen zu den Drachen ist auch schön gemacht und wird die junge Leserschaft auch sicher sehr begeistern.
Als Erwachsener muss ich jedoch anmerken, dass mich das Buch leider eher an einen B-Movie erinnerte, wo ich die Erwartungshaltung eines Blockbusters hatte.
Für mich bleibt eigentlich nur abzuwarten, wie sich der nächste Band entwickelt. Vielleicht wird die Geschichte dann stimmiger.