Rezension

Anita Terpstra - Anders

Anders - Anita Terpstra

Anders
von Anita Terpstra

Bewertet mit 5 Sternen

Kurzbeschreibung: 
Wie gut kennen wir die, die uns am nächsten sind, wirklich?
Alma Meester, ihr Mann Linc und die beiden Kinder Iris und Sander sind eine ganz normale, glückliche Familie. Bis zu dem Tag, als der elfjährige Sander zusammen mit einem Freund während eines Ferienlagers spurlos verschwindet. Der andere Junge wird kurz darauf tot aufgefunden, doch Sander bleibt wie vom Erdboden verschluckt. Sechs Jahre später meldet sich ein junger Mann bei einer deutschen Polizeistation. Er sei der verschwundene Sander Meester. Die Familie ist überglücklich, doch nach und nach kommen der Mutter Zweifel. Ist der Junge wirklich ihr Sohn? Und was ist in der Nacht damals tatsächlich passiert? *Quelle*

Zur Autorin: 
Die niederländische Schriftstellerin Anita Terpstra, geboren 1975, studierte Journalismus und Kunstgeschichte und arbeitete danach als freie Journalistin für einige Zeitschriften. »Anders« ist ihr erster Roman bei Blanvalet.

Meinung: 
Anders lag schon ein Weilchen auf meinem SuB. Durch andere begeisterte Rezensionen animiert habe ich es nun gelesen und es konnte mich absolut von sich überzeugen und begeistern. Die Story spielt in den Niederlanden und umfasst die 14 Tage nach Sanders Rückkehr in die Familie.

Als Protagonisten lernt man die komplette Familie Meester kennen: Mutter Alma, eine ehemalige Krankenschwester, war mir nicht wirklich sympathisch, denn in eingestreuten Rückblenden aus Tochter Iris' Sicht erfährt man, dass sie diese immer etwas stiefmütterlich behandelte und ihrem Sohn Sander eindeutig den Vorzug gab, ihm all seine Lügengeschichten abnahm und im Gegenzug der Tochter nie Glauben schenkte.

Vater Linc ist eine tragische Figur: Er wurde anfangs des Mordes an Sanders Freund Maarten verdächtigt und nach Sanders Verschwinden bewältigt er seinen Alltag (Alma und er haben sich kurz danach getrennt) nur mithilfe von Psychopharmaka.

Tochter Iris, 21 und damit 4 Jahre älter als Sander, ist nach seiner plötzlichen Heimkehr äußerst skeptisch ihm gegenüber. Sie gibt sich die Schuld an seiner damaligen Entführung, da sie und ihr damaliger Freund Christiaan zwar zusammen mit Sander und Maarten auf einer Nachtwanderung war, ihn dann aber aus den Augen verloren hat.

Sander selbst, mittlerweile 17 Jahre alt, ist ein unzuverlässiger Charakter. Bei ihm wusste ich lange nicht, woran ich bin und vor allem die Rückblenden aus Iris' Sicht machten ihn immer unheimlicher, und ich stellte mir die Frage, was er vorhat und wie das für die gesamte Familie ausgehen würde.

Nebencharaktere gibt es auch einige, die aber nicht unbedingt Wichtiges zum Handlungsverlauf beitragen. Die gesamte Geschichte wird aus der 3. Person erzählt, wobei sich die Perspektiven aus Sanders, Almas, Lincs und Iris' Sicht (bei ihr aus der Vergangenheit und Gegenwart) abwechseln und man dadurch einen sehr guten Einblick in die Handlungen und Gefühle aller Familienmitglieder bekommt.

Zwar denkt man schon recht früh, die Zusammenhänge von Sanders Entführung und das Motiv zu kennen, doch Anita Terpstra hat hier einige Wendungen eingebaut, die vor allem zum Schluss alles Gedachte über den Haufen werfen und die Auflösung doch zu verblüffen versteht. Der allerletzte Satz des Thrillers konnte mir nochmal einen Schauer über den Rücken laufen lassen, was ich bisher nur selten erlebt habe. Auch wird man bei der Geschichte nicht mit Blutrünstigem konfrontiert. Ich würde Anders eher als Psychothriller bezeichnen, da kein willkürliches Gemetzel, das bis ins kleinste Detail geschildert wird, stattfindet, sondern die Spannung auf leisen Sohlen daherkommt und durch die Geheimnisse, die nach und nach über einzelne Familienmitglieder offenbart werden, bleibt die Geschichte bis zum bitteren Ende hin fesselnd.

Fazit: 
Anita Terpstra ist mit Anders ein überzeugendes Psychogramm einer Familie gelungen, deren Geheimnisse sich nach und nach offenbaren und in dem nichts so ist, wie es auf den ersten Blick den Anschein macht. Auch ohne Blutvergießen lässt sich durchaus ein spannender Thriller schreiben, das hat die Autorin hierdurch deutlich bewiesen.