Rezension

Anithelden die überzeugen

Gespräche mit Freunden - Sally Rooney

Gespräche mit Freunden
von Sally Rooney

Worum es geht: 

Die Freundinnen Francis und Bobbi lernen das etwas ältere Ehepaar Melissa und Nick kennen. Eine neue Bekanntschaft die aller Leben verändern wird. Während Bobbi sich immer mehr Melissa verschreibt beginnt Francis separaten Kontakt mit Nick zu pflegen. Doch was als unbedachte Geflirte startet wird bald sehr gefährlich.
Wie weit wird sich Francis gehen lassen?  

"Man kann mehr als nur einen Menschen lieben, sagte sie.
Darüber lässt sich streiten.
Man hat ja auch mehrere Freunde, was soll daran anders sein? Du bist mit mir befreundet, und du hast noch andere Freunde, bedeutet das denn, dass du mich nicht richtig schätzt?
Ich habe keine anderen Freunde, sagte ich."

Meine Meinung: 

Gespräche mit Freunden beinhaltet in erster Linie genau das. Gespräche, alle aus der Perspektive Francis'. Sie und Bobbi die über ihre Arbeit, Uni und das Ehepaar reden. Bobbi die vor allem über und mit Melissa redet. Francis die meistens schweigt, ausser bei Nick. Gesprochen wird über alles. Politik, Affären, Sex, Familie, die Darstellung seiner Selbst und die nicht vorhandene Persönlichkeit. 
Francis hat nicht das Gefühl eine Persönlichkeit zu haben und hofft in Nick, einem Schauspieler, einen Gleichgesinnten zu haben. Während all die anderen Figuren Francis "Cool" und "Brilliant" finden, ist jeder Austausch für sie eine Herausforderung. War sie lustig genug? Interessiert genug? Vor allem Interessant genug? 

"Aber Bobbi lag bei Nick falsch. Er war nicht so. Er war vielmehr jemand, der über Bobbis grausame Imitation seiner selbst lachen und nicht versuchen würde sie zu korrigieren. Aber ich konnte ihr das nicht erklären. Und ich konnte ihr erst recht nicht sagen, was für mich das Liebenswerteste an ihm war, nämlich dass er sich zu unscheinbaren und gefühlskalten Frauen wie mir hingezogen fühlte."

Diese und andere Ängste führen dazu, dass sie sich immer aussen vor fühlt, während Bobbi sich scheinbar immer anzupassen weiss. Es ist Bobbi, die anfangs die treibende Kraft ist, dass die Bekanntschaft der 4 Personen sich nicht verläuft. 
Es ist Bobbi, die Francis für so manche Events überredet. 
Während Sally Rooney nicht nur interessante Gedankengänge verfolgt, zeigt sie auch wie ein Geheimnis zu einem anderen führen kann. So lange, bis zwei an sich beste Freundinnen zwei unterschiedliche Leben voneinander führen und sich verlieren. 
Rooney hat es geschafft, dass ich mich teilweise wiedergespiegelt sah, dass ich mitfieberte. Wie bereits in Normal People ( welches ich letzten Sommer gelesen hatte ) fand ich die Gedankengänge und Wiedergabe der jungen Erwachsenen unserer Generation recht getroffen. Sally Rooney erwischt den Zeitgeist. 
Dennoch wirkt alles überspitzt, alle sind oh so offen und Modern. Keiner will der Spießer sein. Der Schein regiert. 
Eine weitere Parallele zu Normal People, jedoch noch weniger ausgearbeitet, ist Francis Art sich Nick zu unterwerfen. Alles um ihn zu Befriedigen, selbst Gewalt nimmt sie in Kauf. Auch sich selbst zu Verletzen um mit den Gefühlen zurecht zu kommen, wird in Normal People wieder aufkommen. Francis' glaubt einerseits nichts zu fühlen nur um im nächsten nicht zu wissen wie sie mit allen umgehen soll. Die Beziehung mit Nick war für mich in erster Linie nur der Thrill. Endlich spürt sie etwas. 
Alle Figuren in diesem Buch sind in meinen Augen beziehungsunfähig. Umso interessanter war es mitzuerleben wie sie sich gegenseitig rechtfertigen und erklären. 
Wer sich für Psychologie interessiert wird hier sicherlich eine Menge Spaß dran haben. Was für eine imposante Charakterstudie. 
Ich freue mich auf das nächste Buch der Autorin. 

"Ich war wie ein leeres Glas, das Nick ausgekippt hatte, und jetzt musste ich mir ansehen, was aus mir herausgequollen war: all meine irregeleiteten Vorstellungen über meinen eigenen Wert und meine Behauptungen, ein Mensch zu sein, der ich nicht war."