Rezension

Anna Thalbach macht Scheunenkinder zu einem Hörvergnügen

Fräulein Gold. Scheunenkinder - Anne Stern

Fräulein Gold. Scheunenkinder
von Anne Stern

Bewertet mit 5 Sternen

Vom ersten Band, den ich bisher noch nicht kenne, habe ich einiges gehört. Deswegen war ich sehr gespannt, wie mir „Fräulein Gold – Scheunenkinder“ gefällt. Der Klappentext verspricht zumindest Spannung.
Den Schreibstil der Autorin finde ich sehr angenehm. Locker, aber detailliert beschrieben entführt sie den Hörer in das Berlin der 20er Jahre. Die Inflation trifft einige Bewohner hart und ein Ende ist nicht in Sicht.
Die Hebamme Hulda Gold wird zu einer Familie, die in ärmlichen Verhältnissen im Scheunenviertel lebt, gerufen.
Ich mochte Hulda von Beginn an. Sie hat das Herz auf dem rechten Fleck, ist sympathisch und kümmert sich rührend um ihre Klienten. So gelingt es ihr schnell, Tamars Vertrauen zu erlangen. Tamar lebt in einer jüdischen Familie, ist aber selbst keine Jüdin. Ihr Verhältnis zu ihrer Schwiegermutter ist schwierig. Überhaupt erschien mir die ganze Familie etwas seltsam. Als dann Tamars Neugeborenes spurlos verschwindet, lässt Hulda nicht locker und beginnt auf eigene Faust Nachforschungen anzustellen.
Neben ihrer Tätigkeit als Hebamme erfahren wir viel Privates von Hulda. Deren Beziehung zum Kommissar Karl North ist mit Höhen und Tiefen durchsetzt.

Anne Stern punktet mit ihren Charakteren, die sie authentisch und vielschichtig gezeichnet hat. Der Hörer bekommt einen tiefen Einblick in die verschiedenen Protagonisten. Mit vielen Kleinigkeiten lässt sie die Figuren sehr lebendig erscheinen und fängt so den Zeitgeist der 20er Jahr gekonnt ein.

Ferner präsentiert die Autorin dem Hörer realitätsnah die Licht- und Schattenseiten eines Berlins im Jahr 1923. Man kann sich die Zustände und das Leben in der Stadt gut vorstellen. Neben der Inflation ist der stetig steigende Judenhass der Berliner Naziszene direkt greifbar. Daran hat die Sprecherin Anna Thalbach auch einen großen Anteil. Sie trägt gekonnt und facettenreich die verschiedenen Protagonisten vor und man kann sich mit ihrem Vortrag auf den Ohren gedanklich leicht nach Berlin versetzen. Sie lässt die Protagonisten sehr lebendig erscheinen, dazu gehört auch die ein oder andere im Dialekt gesprochene Passage.

Die von mir erwartete Spannung, was den Kriminalfall und die Ermittlungen dazu betrifft, wurde nicht ganz so umgesetzt, wie ich mir das vorgestellt habe. Der Fall selber entwickelt sich eher gemächlich und ich hätte auch gerne die polizeilichen Ermittlungen zum Kinderhändlerring mitverfolgt. Hier begleitet man zu meinem Bedauern nur Hulda bei ihren eigenen Ermittlungen.

Trotzdem hat mir dieser Mix aus dem historischen Berlin, der Arbeit einer selbständigen Frau zur damaligen Zeit und dem sich auftuenden Kriminalfall erstaunlich gut gefallen.
 Das Hörbuch zu Band 1 werde ich mir sicher holen, um die Wartezeit auf Band 3 zu verkürzen.

Fazit:
Anna Thalbach macht Scheunenkinder zu einem Hörvergnügen, das man sich nicht entgehen lassen sollte. Von mir gibt’s eine absolute Hörempfehlung für diese kurzweilige Unterhaltung.