Rezension

Anrührend, emotional und beeindruckend

Findelmädchen -

Findelmädchen
von Lilly Bernstein

Bewertet mit 5 Sternen

Worum geht’s? Köln 1955: Bei einer Pflegefamilie in Frankreich aufgewachsen, finden Helga und Jürgen ihren richtigen Vater wieder und ziehen zu ihm nach Köln. Während Jürgen bei den Ford-Werken eine Arbeit findet, macht Helga ein Praktikum in einem von Nonnen geführten Waisenhaus und was sie dort erlebt, ist einfach nur entsetzlich.

Meine Meinung:

„Findelmädchen – Aufbruch ins Glück“ von Lilly Bernstein ist wieder ein Roman, der das Herz berührt. Bereits ihr Trümmermädchen Anna hatte mich absolut begeistert und das Findelmädchen Helga toppt dies fast noch. Diese Liebe zu kleinen, fast nebensächlichen Details, ihre Art, Gefühle und Emotionen zu beschreiben und die recherchierten Fakten in eine fiktionale Geschichte einzuflechten, ist einfach unvergleichlich. Selten kann ich bei Büchern so mitfühlen und mich so mitreißen lassen, wie in den Büchern von Lilly Bernstein.

Mit Helga erschafft sie einen Charakter, den man einfach ins Herz schließen muss. Die Jugendliche, die viel durchgemacht hat aber einen großen Kampfgeist und ein noch größeres Herz besitzt. Dann ihr technikbegeisterter Bruder Jürgen, manchmal sind beide fast wie Zwillinge, so verbunden kommen sie mir vor. Auch Fanny ist ein wundervoller Charakter. Eine lebenslustige Frau, die ein schweres Päckchen zu tragen hat, was wir aber später erst erfahren. Und zuletzt haben wir noch Helgas Vater, der im Krieg als Journalist instrumentalisiert wurde, sowie die Flüchtlinge Auguste und Konradin, die Unterschlupf im Haus der van Beeks finden, ebenfalls liebenswerte und authentische Charaktere.

All diese Menschen dürfen wir begleiten im Köln der 1955er Jahre. Es ist einfach zauberhaft, wie die Autorin diese Zeit des Wandels aufleben lässt. Fannys Milchbar, die Fröhlichkeit der Menschen. Die Lebensfreude der Jugendlichen. Es ist schön zu erleben, wie nach den Jahren der Entbehrung alles erwacht und mit neuem Mut zu wachsen beginnt. Noch überschattet von den Nachwehen des Krieges. Den Erinnerungen an den Hunger und die Angst, aber dennoch dieser Wille für einen Neuanfang. Überschattet von den Erzählungen aus dem Kinderheim und wie dort mit den Kindern, insbesondere dem Mischlingskind Bärbel, umgegangen wird. Dieser Teil basiert gem. Nachwort auf Erzählungen von Zeitzeugen, was mich umso tiefer getroffen hat. Und auch die Stellung der Frau hat die Autorin aufgezeigt, wie schnell man nichts mehr wert ist, verachtet und verhöhnt wird. All diese Fakten eingebracht in einen emotionalen Roman, gut recherchiert und voller Herzenswärme erzählt, war einfach unglaublich mitreißend zu lesen. Lilly Bernstein hat die 1955er Jahre wieder lebendig werden lassen und uns mitgenommen auf eine Zeitreise mitten hinein nach Köln. Dieses Buch hat mich gefesselt und wieder absolut überzeugt – von mir eine ganz klare Leseempfehlung und ich bin schon sehr gespannt, wohin uns ihr nächstes Buch entführen wird!

Fazit:

In ihrem historischen Roman „Findelmädchen – Aufbruch ins Glück“ lässt Lilly Bernstein anhand von Helga van Beek die 1955er Jahre in Köln wieder lebendig werden. Gemeinsam mit Helga und ihrer Familie erleben wir diese Zeit, die noch von den Nachwehen des Weltkriegs erschüttert ist und von den erlittenen Entbehrungen und der Angst. Aber sich auch schon im Wandel befindet. Man fühlt, wie die Lebensfreude zurückkehrt. Die Menschen sich einfach wieder lebendig fühlen möchten. Und mitten hinein in diese Geschichte des Aufbaus und Aufbruchs führt uns die Autorin auch in die schrecklichen Geschehnisse in den Waisenhäusern, basierend auf den Erzählungen von Zeitzeugen, was es umso erschreckender macht. Und hinein in den Stand und die Rolle der Frau.

Dies ist eine Geschichte, die wieder absolut zu Herzen geht, emotional und ergreifend ist und in der Fakten und Fiktion wieder eine perfekte Mischung darstellen. 5 Sterne und eine absolute Leseempfehlung von mir!