Rezension

Anspruchsvoll

Ein plötzlicher Todesfall, 3 MP3-CDs - Joanne K. Rowling

Ein plötzlicher Todesfall, 3 MP3-CDs
von J. K. Rowling

Meine Erwartungen:
Aus irgendeinem Grund war ich der Meinung ‚Ein plötzlicher Todesfall’ wäre ein Krimi so in etwa der Tradition von Agatha Christie.
Die Rezensionen, die ich bislang (quer)gelesen habe, ließen mich neugierig werden auf dieses ‚Erwachsenenbuch’, waren sie doch in zwei Lager gespalten: die, die Harry Potter mögen und dieses Buch verteufelten, und die, die Harry Potter mögen und dieses Buch aus ganz anderen Gründen auch. Insgesamt also eine spannende Angelegenheit.

Zum Inhalt:
Bei ‚Ein plötzlicher Todesfall’ handelt es sich definitiv nicht um einen Krimi. Zwar stirbt jemand, aber eines doch eher natürlichen Todes, und so wird auch kein Mörder gesucht, sondern vordergründig ein Nachfolger im Stadtrat. Hintergründig entsteht jedoch eine Art Sittengemälde der Bewohner einer kleinen Stadt, in dem sich wahre Abgründe auftun.

Meine Meinung:
Dieses Hörbuch erfordert ein gewisses Maß an Aufmerksamkeit vom Hörer, denn Joanne K. Rowling wartet mit einer Vielzahl an Beteiligten auf, die man erst mal ‚auf den Schirm’ bekommen muss. Eine kleine Liste wäre fast schon angebracht (die hätte ich mir sicherlich gemacht, wenn ich es als gedrucktes Buch gelesen hätte). Es sind schon einige Familien und ihre Mitglieder beteiligt. Als Hilfen dienten mir hier jedoch kleine Einzelheiten wie der Beruf, der ja immer mal wieder auftaucht, oder Verwandtschaftsbezeichnungen. Es ist also zu schaffen, sich die Personen zu merken, auch wenn es erst unübersichtlich ist.

Hat man die Personen einigermaßen zugeordnet, wird schnell klar, warum dieses Buch als ‚für Erwachsene’ bezeichnet wird, denn es tun sich Abgründe auf. Soziale, menschliche, zwischenmenschliche. Und Joanne K. Rowling spart auch nicht mit ‚Kraftausdrücken’ – als ich zum ersten Mal das Wort ‚Möse’ hörte, war ich ein wenig schockiert, das hatte ich nun wirklich nicht erwartet. Aber es gehört zur Geschichte, wirkt höchstens am Anfang aufgesetzt.
Und genau an dieser Stelle hatte ich dann auch eine Art Aha-Erlebnis.
Entschuldigung, aber ich muss hier doch mal den Vergleich zu den Harry Potter Büchern ziehen: neben der Haupthandlung war ich auch bei ihnen fasziniert von den kleinen Geschichten am Rande, die Beschreibung von Personen, die nie wirklich im Mittelpunkt standen, aber über die man doch einiges erfuhr, oft liebevoll-augenzwinkernd, manchmal ironisch, beinahe sarkastisch.
Und so geschieht es auch in ‚Ein plötzlicher Todesfall’. Personen, die man nicht nur namentlich sondern auch charakterlich zugeordnet zu haben scheint, werden mit wenigen Worten neu skizziert, vertieft, der Lächerlichkeit preisgegeben. Oder unerwartet zu Sympathieträgern, während andere von diesem Thron gestoßen werden. So ergeben sich neue Charakterstudien, hinter der die eigentliche Handlung in meinen Augen einen großen Schritt zurück tritt.

Das Schließen der Lücke, die ein plötzlicher Todesfall auslöst, entwickelt eine Eigendynamik, die mich sehr fasziniert.

Besonders erwähnen möchte ich, dass wieder einmal deutlich wird, wie gut Joanne K. Rowling es versteht, eine Geschichte aufzubauen, jedes Detail am Ende wichtig werden zu lassen. So sind für mich die Szenen nach dem einen Abend und vor dem vorletzten entscheidenden Ereignis (deutlicher möchte ich es hier nicht ausführen) bezeichnend. So gut wie alle Hauptpersonen tauchen kurz nacheinander auf, hängen ihren Gedanken nach, sehen, begegnen anderen Personen und steuern auf das unausweichliche Schicksal zu, ohne einzuschreiten. So wird deutlich, wie sehr das Handeln jedes Einzelnen zu genau dem Ergebnis führt, zu dem es eben führt.

Natürlich erfordert dieses Hörbuch ein wenig Durchhaltevermögen. Es ist langatmig, es ist zuweilen auch langweilig, es geschieht einfach wenig. Denn es geht um das ganz normale Leben, um Liebe und Betrug, Leben und Sterben, Neid und Missgunst, persönliche Unfähigkeit und das über sich selbst hinauswachsen. Das ist nicht spannend, nur interessant, wenn man sich denn für Menschen interessiert. Und für die kleinen zwischenmenschlichen Nuancen.

Christian Berkel liest gut. Leider hat er zuweilen eine so angenehme, der Situation entsprechend auch langweilige, Stimme, dass ich mich stellenweise zwingen musste, weiter zu zuhören.

Fazit?
Stände nicht Joanne K. Rowling auf dem Cover (das ich übrigens wirklich nicht schön finde, das allerdings einen gewissen Sinn ergibt) und somit als Autorin, die gewisse Erwartungen weckt, hätte dieses Buch definitiv weniger Käufer. Denn es ist anspruchsvoll, zum Teil anstrengend und manchmal auch einfach langweilig. Es geht nicht um eine effektheischende Handlung oder um phantastische Welten. Es geht um Menschen, die so normal sind, dass es schon beängstigend ist.
Das muss man durchhalten, aushalten können.
Mir persönlich hat das Buch viele Gründe zum nachdenken gegeben und ich denke, es ist gutes Stück Literatur, das nicht einem Mainstream folgt. Dazu gehört Mut, den sich die Autorin aber ohne Zweifel und in mehrerer Hinsicht leisten kann.