Anspruchsvolles Familienleben
Bewertet mit 5 Sternen
Wir kommen zurecht. Ja. Wir kommen zurecht. Aber kommen wir füreinander zuträglich zurecht? Dieser Frage geht Annika Büsing in ihrem neuen Roman „Wir kommen zurecht“ nach. Denn Familienleben sind auch oft Höhlen voller dunkler Geheimnisse.
So auch in der Familie von Philipp, der Hauptperson in „Wir kommen zurecht“. Er lebt mit seinem Vater Lothar, einem erfolgreichen Chirurgen und dessen Freundin Stella zusammen. Seine Mutter Astrid hat die Familie verlassen, ist psychisch erkrankt und damit eine gewisse Belastung für die Familie, aber ebenso ein mit sich selbst hadernder Mensch. Das Fehlen der Mutter und die durch die psychische Erkrankung belastete vergangene Zeit beschäftigen Philipp sehr. Halt findet er bei seinem Freund Lorenz. Philipp und Lorenz stützen sich und durchschreiten gemeinsam ihre Jugend. Auch ein Liebeschaos fehlt natürlich nicht, einst war Philipp mit Lisa verbändelt, bis deren Schwester Mascha in Philipp etwas entzündet und so die Welt in ein gewisses Feuer taucht. Doch auch Philipps Mutter Astrid sorgt für Spannung, hat sie sich doch nicht vollkommen aus Philipps Leben zurückgezogen, sondern taucht halt immer wieder auf und je nach Stimmungslage gestalten sich diese Momente mehr oder weniger schwierig. Eine Gemengelage, die Erwachsene schon stark fordern können, was macht aber so etwas mit einem Heranwachsenden?
Coming of age ist ein für mich relativ schwieriges Gebiet. Oft kann ich mich nicht so richtig für die Charaktere erwärmen und ich erlebe solche Bücher oft etwas von außen. Nicht so bei Annika Büsing. Sie trifft mich ins Herz mit ihrer Charakterzeichnung. Selbst die männliche Rolle Philipp erreicht mich völlig. Natürlich schlägt mein Herz für psychisch Erkrankte, mein Arbeitsfeld ist denke ich sehr gut gewählt. Von daher hat das Buch durch den Charakter Astrid schon einmal völlig meine Aufmerksamkeit. Denn psychiatrische Erkrankungen treffen den Betroffenen und seine Familie, sein Umfeld. Alle müssen sich plötzlich mit stark veränderten Gegebenheiten auseinandersetzen und müssen sehen, wie sie mit diesen neuen Umständen klarkommen. Dies fängt Annika Büsing empathisch und sehr gekonnt in ihrem neuen Buch ein und begeistert mich damit sehr. Denn was kann es bedeuten einen psychisch kranken Menschen in der eigenen Familie zu haben? Dies noch in Kombination zu setzen mit dem Thema Coming of age, welches ja ebenso ein Ausnahmezustand ist, ist absolut interessant gewählt. Damit stellt sich ein Schreibender einer großen Herausforderung. Dies glaubhaft zu schildern ist nicht einfach.
Annika Büsing meistert diese Thematik gekonnt und intensiv. Ich habe das Buch sehr geliebt und wünsche ihm viele Leser. Denn dieser Abstand zu psychiatrischen Erkrankungen muss verschwinden, gerade wegen der großen Anzahl der Betroffenen. Unsere momentan sehr anspruchsvolle Zeit fördert psychische Erkrankungen, von daher müssen wir alle einen neuen und empathischen Umgang damit erlernen. Annika Büsing hat einen Beitrag dazu mit ihrem Buch „Wir kommen zurecht“ geliefert. Danke dafür!
Lesen!