Rezension

Anstrengend, aber empfehlenswert.

Unter Weißen - Mohamed Amjahid

Unter Weißen
von Mohamed Amjahid

Bewertet mit 4.5 Sternen

Am Anfang hatte ich den Eindruck, dass der Autor versucht, die Situation objektiv und fair zu betrachten. Aber schon beim dritten Kapitel ist er bereits voll auf der Linie der Sprachpolizei und scheint es nicht mal zu bemerken. Während er gegen die Bezeichnungen "Neger" und "Mohr" wettert, benutzt er den Begriff "biodeutsch". Alle drei Begriffe können gleichermaßen sowohl sachlich, als auch rassistisch verwendet werden. Es kommt dabei nicht auf das Wort, sondern auf den Kontext an.
(Ich werde nie verstehen, warum "Negerkuss" rassistisch sein soll. Ich würde zustimmen, wenn man einen Hundehaufen so nennen würde, aber doch nicht bei einer süßen Köstlichkeit. Und über Bezeichnungen mit "Mohr" sollte er mal mit Andrew E. Onuegbu diskutieren, ein Schwarzer, der sein Restaurant stolz "Zum Mohrenkopf" nannte.)

In Kapitel 4 geht es um Menschen, die sich nicht diskriminiert fühlen, obwohl sie potentielle Opfer sind. Er bezeichnet sie als Token. Er meint, sie haben diese Haltung nicht etwa, weil sie souverän sind, nein, sie würden instrumentalisiert. Und er selbst achtet darauf (Seite 56), dass ihm das nicht geschieht. Mit anderen Worten: Er WILL sich diskriminiert fühlen.

Immerhin eignet er sich nicht die Ideologie der Gutmenschen an, sondern kritisiert sie ebenso. In Kapitel 6 "Hilfe! Weiße wollen mein Leben retten!" Seite 84 schreibt er:
Viele Weiße und unter ihnen oft gerade die engagierten sehen in schwarzen Menschen lediglich den hungernden Afrikaner, so wie sie in Orientalen nun fast nur noch hilfsbedürftige Geflüchtete und Opfer erkennen. Ich wurde in München plötzlich selbst zum Flüchtling, nur weil ich so aussehe, wie ich aussehe. Und das ist noch nicht mal der Kern des Problems: Denn nicht alle Afrikaner leiden Hunger, und Geflüchtete benötigen nicht immer Seife. Trotzdem wird fleißig geholfen, so wie es die Weißen für richtig halten. Dem weißen Retterkomplex liegt eine weit verbreitete Annahme zugrunde: Nichtweiße sind demnach weniger selbständig, man muss ihnen die Welt erklären und sie letztlich sogar vor sich selbst schützen.

Ansonsten betrachtet er zahlreiche Aspekte der Weltgesellschaft – leider ebenso tendenziös, wie "die Weißen". Und einige, die zwar nicht von der Hautfarbe abhängen, aber mit ihr korrelieren (z.B. Staatsangehörigkeit), bezieht er (nur) auf die Hautfarbe.

Im 9. Kapitel geht er dann komplett auf den antiweißen Rassismus über, den wir hierzulande von den links-grünen kennen. Da habe ich eine Weile bereut, Geld für dieses Buch ausgegeben zu haben.

Im letzten Kapitel findet er aber nach und nach zurück zu einer Sachlichkeit, wie am Anfang.

Einiges, was er anspricht, ist tatsächlich änderungsbedürftig, aber die von ihm erwünschte Gleichmacherei ohne Berück­sichti­gung sonstiger Einflussparameter wäre nur der entgegen­gesetzte Fehler. (Zitat von Jean Paul Getty: Wenn man der Natur freien Lauf lässt, arbeitet sie gegen die Gleichheit.)

Insgesamt finde ich das Buch nützlich. Nicht um sich kritiklos seiner Meinung anzuschließen oder sie rigoros zu verwerfen, sondern um sich eine eigene Meinung zu bilden. Wer es aushält, sollte es lesen.