Rezension

Artus-Sage anders erzählt

Die Nebel von Avalon - Marion Zimmer Bradley

Die Nebel von Avalon
von Marion Zimmer Bradley

Bewertet mit 3.5 Sternen

Morgaine, die Hohepriesterin des Nebelreichs Avalon und Schwester von Artus, erzählt die wahre Geschichte ihres königlichen Bruders und der Ritter der Tafelrunde. Zum ersten Mal erzählt eine Frau diese Geschichte, zeigt die Heldengestalten in einem neuen Licht und erinnert daran, dass einst Frauen die Macht in den Händen hielten: Sie lenken im Verborgenen das Geschick ihrer Zeit und setzen den König der Legenden auf den Thron, geben ihm das heilige Schwert Excalibur .

Es gibt (grob) zwei Sorten von Menschen auf der Welt: Männer und Frauen. Und ein Fantasyroman aus der Sicht von Frauen war eindeutig eine Neuerung und ist eindeutig immer noch sehr überraschend zu lesen.

Kaum mal zieht jemand sein Schwert oder kämpft. Die Männer, die das tun, ziehen fort und kommen wieder und haben entweder gewonnen und verloren. In der Zwischenzeit kümmern sich die Frauen um den Haushalt, spinnen und weben, haben Affairen, zaubern, langweilen sich furchtbar, erwarten ihre Menstruation, _kriegen_ Kinder. Alles für sich auch erzählenswerte Ereignisse, manche nicht weniger spannend als die Schlacht der fünf Heere.

Ansonsten versuchen einige der Frauen, den Niedergang der Naturreligion aufzuhalten und streiten mit ignoranten Christen. Wer also Dialoge mag, die so gehen: "Ist sie eine Hexe?" - "Nein, eine weise Frau!", der/die ist hier richtig aufgehoben.

Neu war damals wohl auch, dass so viel Geschlechtsverkehr in einem Fantasyroman vorkommt. Und dann ist der auch gleich meistens nicht gut, was Leute wie mich, die Sexszenen nicht mögen, entschädigt.

Erzählt wird diese eigenwillige Variation der Artussage aus dem Blickwinkel mehrerer Frauen. Das führt dazu, dass man sich erst über die eine aufregt und sie dann anschließend wieder verstehen kann.

Man sollte die "Nebel von Avalon" nun nicht als historischen oder historisierenden Roman betrachten, denn das bekommt man hier nicht. Es ist ganz klar ein Fantasyroman, der alten Güte.
Es wird viel umschrieben, viel beschrieben und sehr viel erklärt. Man braucht also als Leser/rin viel Ausdauer, da das Buch oft nur recht schleppend vorangeht.

Die Geschichte an sich ist eine nette Idee, auch die umverteilten Rollen der Protagonisten, die nicht unbedingt dem Orginal entsprechen, sind gut durchdacht und in sich schlüssig.
Dem ein oder anderen mag der Bezug zur Wicca Religion auffallen und vielleicht nicht gefallen. Mich persönlich hat er nicht gestört. Denn die Nebel von Avalon sind reine Fiktion, ein Traumgespinst aus der Feder einer Autorin und in keinster Weise die Wahrheit.

Trotzdem wird es mit über 1000 Seiten und ohne nennenswerte Kapiteleinteilung auf die Dauer etwas lang. Am Ende hatte wohl auch die Autorin keine Lust mehr - warum sich Artus und sein Sohn Gwydion so zerstreiten, dass das ganze Land mit Krieg überzogen wird? Egal - Hauptsache, am Ende sind sie tot. Vielleicht stimmt das ja auch.

Sollte man mal unbedingt für die Leseerfahrung mal reinlesen. Wenn man es dann irgendwann weglegt, verpasst man aber auch nix.