Rezension

Ass, Joker - Bluff

Wild Cards 01 - Das Spiel der Spiele - George R. R. Martin

Wild Cards, Die zweite Generation - Das Spiel der Spiele
von George R. R. Martin

Bewertet mit 3.5 Sternen

„Da wird Blut fließen.
Darauf könnt ihr euch verlassen.“

Kann mir jetzt bitte endlich jemand verraten, wer das Model auf dem Cover ist? Ich find’ den ja so was von ansprechend. Was auch neben dem Klappentext, der Grund ist, wieso ich spitz auf dieses Buch war. Hab’s sogleich meinem Kerl verzählt. Und kaum, dass ich das nächste Mal in der Buchhandlung war: Zack, da Schatz! Seit längerer Zeit mal wieder ein Steifen, den er vor mir gelesen hat. Mit den Worten: „Brich alles andere ab! Lies das sofort!“ Und ich werde mich jetzt nicht noch einmal darüber mokieren, dass ich dem Verlag wirklich böse bin, einfach eine ‚1‘ auf den Buchrücken zu klatschen, obwohl es bereits vor etlichen Jahren eine deutsche Übersetzung der ersten Bände gab (siehe unten) und demnach dieses Buch IRGENDWO mittendrin spielt. Was auch viele Punktabzüge meinerseits erklärt, denn ein paar Dinge sind einfach kaum greifbar gewesen.

Das zur Vorgeschichte, wieso ich dieses Buch unbedingt lesen wollte. Ich bereu es gar nicht. Es hat mich wunderbar unterhalten. Superkräfte, Spielkarten, RealityTV und dann RUMMS Moral, Ethik und Krieg. Ich hielt das Werk für eine Anthologie und möchte noch einmal betonen: es ist HERAUSGEGEBEN von G.R.R.Martin. Er selbst hat zwar eine der Geschichtenschnipsel beigesteuert („Crusader“) aber die Haupthandlung stammt aus der Feder von Daniel Abraham. Neun Autoren insgesamt haben an diesem Buch geschrieben und es sind KEINE in sich geschlossenen Kurzgeschichten, wie ich anfänglich vermutete. Es gibt von mir daher einen dicken Pluspunkt für das ‚Rollenspiel-Feeling‘ welches ich so ähnlich beim Hobby ‚ForenRPG‘ erlebe.

„Du hast das Spiel genau richtig gespielt.“

Die Handlung umreißt zwei Teile, wenn man so will. Den Anfang macht ‚Hive‘ dessen Körper sich zerlegen kann in einen sich regenerierenden Wespenschwarm. Er und 27 andere mit teils genialen, teils unnützlichen erscheinenden Fähigkeiten werden vom TV Team gecastet und in vier Gruppen zu je sieben Mitspielern aufgeteilt. Team: Herz, Pik, Karo und Kreuz. Sie ziehen in je eine Villa, überall gibt es installierte Kameras und frei bewegliche Teams die ihnen an den Fersen kleben. Das BigBrother Ambiente ist gewollt. Die Teams sollen Aufgaben bewältigen, zB "Rettet alle Bewohner eines brennenden Hauses". Die Gruppe die am schlechtesten abschneidet muss ein Mitglied raus wählen. In einer separaten Villa der Looser bleiben die Ausgeschiedenen hängen und warten auf das Ende der Staffel. Zu gewinnen gibt es den Titel: American Hero und Geld.

Aber was ist das? Es tauchen im Verlauf der Handlung die aus verschiedenen Sichtweisen - immer mal wieder zurück beim Wespenmann - erzählt wird, andere Charaktere auf und langsam gleitet die Story ab. Jonathan Hive ist dann später nicht der einzige, ihm zur Seite gesellt sich das Schnubbelchen vom Cover: ‚Lohengrin‘ und der ausgebrannte ‚Fortune‘. Dem Fortune sitzt neuerdings ein Edelstein in der Stirn, welcher eine äqyptische Seele beinhaltet und zusammen reisen sie nach Äqypten und mischen sich dort in den laufenden Krieg zwischen mehreren Parteien ein. Die restlichen Kandidaten vom ’Spiel der Spiele’ beobachten bald viel intensiver die Berichterstattung Hives, welcher über einen Internetblog kommuniziert und von seinen Erlebnissen erzählt, als die Show zu verfolgen.

Das Spiel wird unwichtig, angesichts der kriegerischen Auseinandersetzungen auf einem anderen Kontinent. Wer gewinnt beinah zu bemitleiden. Beinah, denn da das Geschehen so weit weg reißt von der anfänglichen Handlung, war mir das getrost egal, was dort geschieht. Schlußendlich packen noch mehr gecastete Helden, die über die Show ihre Fähigkeiten entdeckt und trainiert haben und zu verschiedenen Einsichten gelangt sind, ihre Sachen ebenfalls und wollen im echten Kampf mitmischen und echte Helden werden. Merkt ihr was? Ja, die Grundabsicht dahinter ist mehr als offensichtlich. Was nützt dir dieser unterhaltungsmediale Ruhm, wenn auf der anderen Seite der Erde, echte Menschen ermordet werden?

„Manchmal geht es vielleicht einfach bloß darum,
dass man einen denkwürdigen Abgang hinlegt!“

Die Stücke, die mir nicht gefielen, sind auffällig auch im Stil gebrochen. Der Wechsel zu Ich-Perspektive und anderer Zeit (zB. Michael Cassutt: "Auf der Suche nach Jetboy") ließen mich schwer schlucken. So eine Rahmenbedingung wie: Lasst uns alle Neun zumindest in der Vergangenheitsform schreiben, hätte mir besser gefallen. Für so viele Charaktere wie hier geboten, sind zu wenige dabei die ein eigenes Stück bekommen haben. Namen, die für die gesamte Handlung wichtig sind, gehen unter, andere vermisst man schmerzlich. Zudem beschleicht mich das Gefühl, dass man mit vielen der Leute hätte rechnen können, dass man sie kennen könnte, wenn man die anderen Bände gelesen hätte! In der Fülle der Charaktere kommt man ganz schön ins Schwitzen. Nur die Castingshow, dafür aber ausgearbeiteter hätte mir mehr gelegen um dann darauf hin zu deuten, dass es im nächsten Teil mit dem lebensgefährlichen Teil in Ägypten weiter geht.

Allein der Einstieg, in dem wirklich höchst eilig umrissen wird, womit wir es hier zu tun haben. Irgendwas mit Aliens, Virus, irgendwas mit Assen und der Pik-Dame hat mich Stirnrunzelnd zurück gelassen. Ich hatte bis zur Hälfte des Buches keinen Schimmer wie man ein Ass und einen Joker auseinander halten soll. Für dieses Buch und deren Figuren muss man viel Vorstellungskraft bemühen. Nilpferdköpfe, halb materialsierte Menschen, dessen untere Hälfte aus einem Insektenschwarm besteht und ‚Drama Boy‘ mit sechs Armen samt Schultern: Versucht es nicht zu zeichnen! Diese Entartungen muss man hier einfach hinnehmen. Wenn man sich darauf einlässt ist es aber amüsant.
 

Fazit:

Was zum Henker, fällt denen denn bitte ein, sich in den Krieg anderer ungefragt einzumischen und die Lorbeeren zu ernten? Das war nicht gut, nein, das war einfach nur: "Pfui!" Ansonsten versuchen alle Autoren ja die gesamte Bandbreite an Kulturen, Herkunftsländern und Hautfarben aufzusammeln. Allerdings bedienen sie auch sehr viele Klischees. Ob ich dennoch dazu gekommen bin, unter den vielen Charakteren einen Lieblingschar zu finden? Oh ja. Noel. Der auftaucht und von dem man denkt, er hätte gar keine Fähigkeit. Der sich aber als erstaunlich mieser Mitspieler entpuppt. Hätten sie den Krieg im eigenen Land ausgefochten würde dieses Werk von mir viele Pluspunkte erhalten.

Für das Zusammenschreiben seit Jahrzehnten und einen gewissen Kultstatus vergebe ich keine Sonderpunkte. Und das Cover hat mich auch zum Narren gehalten und mir den ’schwarzen Peter’ zu geschoben. Lohengrin ist gar kein Held für mich… obwohl eben weil er solche gravierenden Macken hat, ja vielleicht doch schon wieder sympathisch? Herausragend war der Charakter "Rostbelt", an ihm konnte man wirklich sehen, wie Vorurteile und Verleumdung wirken. „Drummer Boy“ war lustig und arrogant, es kam aber schon recht platt rüber, wie er den gewissen ’Sinn des Lebens’ am Ende angehen will.
Die Reihe, alles zusammen genommen, ist bestimmt sehr interessant. Einfach mitten rein geworfen zu werden, kann ich nicht verzeihen. Hier wurde nicht mit offenen Karten gezockt.

Urteil:
„Mach einfach das Beste draus.“

Ärgernis:
Macht den narrischen Aufkleber: "Hrsg. vom Autor von 'Das Lied von Eis und Feuer' Game of Thrones" weg und zwar flott. So ein Unfug mit dem Namen auf diese Art zu werben. Das hat doch gar nichts miteinander zu tun!