Rezension

Atemberaubend fesselndes Katz und Maus-Spiel frei nach Agatha Christie

Das Chalet -

Das Chalet
von Ruth Ware

Bewertet mit 5 Sternen

Die Entwickler der erfolgreichen Social-Media-App Snoop verbringen gemeinsam eine Auszeit in einem Luxus-Chalet in den französischen Alpen. Doch bald schon wird klar, dass es bei dem Treffen nicht nur um Entspannung und Erholung geht. Es liegt ein Übernahmeangebot für das Unternehmen vor, das  besprochen werden muss. Doch bevor es zur Diskussion des Angebots kommt, geschieht eine Katastrophe. Es hört nicht auf zu schneien, im Schneesturm geht ein wichtiges Teammitglied verloren. Als das Chalet durch eine Lawine von der Außenwelt abgeschnitten wird, wird eine weitere Person ermordet. Und das soll nicht der letzte Tote sein. Ein Killer versteckt sich unter den Bewohnern des Chalets. Niemand kann sich sicher fühlen ….

 

Autorin Ruth Ware formuliert gut verständlich, flüssig und klar. Abwechselnd wird das Geschehen in der ersten Person Präsens aus der Sicht von Liz, einer ehemaligen Mitarbeiterin von Snoop und Erin, die im Chalet als Servicekraft arbeitet, geschildert. Die Leser erhalten zwei Versionen der Geschichte, zwei verschiedene Blickwinkel auf die Entwicklungen. Die Kapitel sind recht kurz gehalten, die Spannung wird durch den häufigen Perspektivwechsel stets aufrechterhalten. 

 

Die Erzählerinnen Liz und Erin stehen zwangsläufig im Mittelpunkt des Romans. Liz ist ehemalige Mitarbeiterin des Unternehmens, die nun über 2% der Firmenanteile verfügt, Erin ist im Chalet angestellt. „Mauerblümchen“ Liz steckt mittendrin im Geschehen, ist in die geschäftlichen Angelegenheiten von Snoop involviert, weiß um die Animositäten innerhalb der Chefetage und wie die Mitarbeiter zueinander stehen. Dennoch steht sie auch außen vor, hält sich für unzulänglich, ist wenig selbstbewusst und hat das Gefühl, den ehemaligen Kollegen nicht das Wasser reichen zu können.  
Erin bekommt als „Mädchen für alles“ im Chalet vieles mit, hat einen Blick von außen auf die Strukturen und Beziehungen in der Firma. Sie selbst scheint ebenfalls Geheimnisse zu haben und in der Vergangenheit Schlimmes erlebt zu haben. Sowohl Liz als auch Erin haben offensichtlich etwas zu verbergen. Beim Lesen zweifelte ich da häufig, ob ich ihnen und ihrer Sicht wirklich trauen kann. Auch die anderen Figuren sind mit Vorsicht zu genießen. Das Bild, das sie nach außen abgeben wollen, scheint nicht „echt“.  Die Mitarbeiter demonstrieren Geschlossenheit, doch es herrscht längst nicht die Harmonie, die nach außen propagiert wird. Sympathisch waren mir die Beschäftigten von Snoop alle nicht, wirken sie doch mitunter recht abgehoben und elitär.

 

Wie bei Agatha Christies „Und dann gab es keines mehr“ sind alle Beteiligten von der Außenwelt abgeschnitten. Nicht eine Insel, sondern ein Chalet im Schnee stellt den Schauplatz dar, aber das Szenario ist ganz ähnlich. Es gibt kein Entkommen, niemand kann sich sicher fühlen, jeder könnte der Feind sein. Autorin Ruth Ware beschwört in ihrem neuesten Werk eine Atmosphäre zum Schaudern herauf. Nach und nach wird das Rätsel um den Mörder gelöst und das so packend und fesselnd, dass man sich der Handlung einfach nicht entziehen kann. Was für ein Setting, was für ein spannender Showdown! Nicht nur die Protagonisten frieren, garantiert wird es bei all der Anspannung auch der Leserschaft eiskalt über den Rücken laufen. Hier werden Täter zu Opfern und Opfer zu Tätern. Für mich ist „Das Chalet“ ein sehr stimmig konstruierter, packender, gut durchdachter Krimi mit Atmosphäre, ein Krimi, wie er sein muss. Ich bin sicher, auch Agatha Christie hätte an diesem Roman ihre Freude gehabt .