Rezension

Atmosphärisch, abenteuerlich aber sehr verwirrend und streckenweise langatmig

AMANI - Rebellin des Sandes - Alwyn Hamilton

AMANI - Rebellin des Sandes
von Alwyn Hamilton

Amani hat mich leider irgendwo in Dustwalk abgehängt

Dustwalk ist ein kleines Kaff mitten in der Wüste und hat außer Sand, einer Fabrik und ein paar Spelunken nichts zu bieten. Kein Wunder, dass die 16-jährige Amani nur eines will – raus aus Dustwalk, so schnell wie möglich. Zumal Amani Wind davon bekommen hat, dass ihr tyrannischer Onkel sie zu seiner Frau machen will – nein, falsch! - zu einer seiner vielen Frauen.
Bei einem Schießwettbewerb will Amani das nötige Geld für ihre Flucht gewinnen, findet aber in dem geheimnisvollen Jin einen ernsthaften Gegner. Dann bricht ein Tumult aus, Soldaten durchforsten den Ort nach Rebellen und in dem ganzen Tohuwabohu kann sich Amani gemeinsam mit Jin aus dem Staub machen. Sie gelangt an Orte, die sie nur vom Hörensagen kannte und trifft auf magische Wesen, die alten Legenden entstiegen zu sein scheinen … schließlich findet sie sich mitten in einer politischen Revolution wieder und muss sich entscheiden, ob sie weiter für sich selbst kämpfen will oder sich einer politischen Bewegung anschließt.

Bevor ich begonnen habe das Buch zu lesen, musste ich erst einmal minutenlang das wunderschöne Cover streicheln, für das irgendein Genie eine handvoll Glitzersand über warmen Naturtönen ausgeschüttet hat - eine schöne Einstimmung auf einige großartige Schauplätze. Die größte Stärke der Autorin ist nämlich ihr Talent, Sinneseindrücke und Orte vor dem inneren Auge lebendig werden zu lassen. Man kann den Sand knirschen hören und die Hitze spüren. Großes Kino!
Allerdings hatte ich mit dem Buch dann doch so meine Probleme.

Ausgangspunkt ist Dustwalk, ein einsamer Wüstenort im Nirgendwo – das Setting verbindet alten Western Style mit einer fundamentalistisch geprägten Unterdrückungskultur, in der Frauen nichts wert sind und Männer so viele Ehefrauen haben, dass sie die Übersicht über ihre vielen Kinder verlieren. Amani lebt als Waise bei ihrem Onkel und ihrer Tante und ist eine sympathische Überlebenskünstlerin, die sich dank ihres Schießtalents und ihrer Angewohnheit sich als Junge zu verkleiden ganz gut durchs Leben schlägt.

Das Buch beginnt mit einem angenehmen Tempo. Der Schießwettbewerb ist ein spannender Ausgangspunkt und der Einstieg in die Geschichte gelingt leicht. Allerdings stolperte ich bereits nach einigen Seiten über ein paar Namen, zu denen es erst verspätet die Erläuterung gibt, in welchem Verhältnis sich der- oder diejenige zu Amani befindet. Eine Angewohnheit, die die Autorin leider beibehält und die es mir streckenweise sehr schwer machte, nicht den Anschluss zu verpassen. Da werden Namen, Orte, die Bezeichnungen mythischer Wesen ins Rennen geworfen, ohne klare Einordnung für den Leser. Teilweise hatte ich das Gefühl den Mittelteil einer Reihe zu lesen und den Anfang der Geschichte, den Teil mit den ganzen Erklärungen, verpasst zu haben. Ich halte Glossare ja oft für unnötig, hier wäre ein solches aber mal sehr sinnvoll gewesen.

Die Geschwindigkeit empfand ich nach dem schnittigen Start oft als unausgewogen. Mal geht alles sehr schnell, dann wieder gibt es seitenlange Analysen der Situation und immer wieder Geschichten über alte Mythen. Lange weiß man nicht, in welche Richtung die Autorin ihre Handlung eigentlich entwickeln möchte; Amani und Jin fliehen, kommen hierhin und dorthin und versuchen die meiste Zeit einem grässlichen Armeekommandanten namens Naguib aus dem Weg zu gehen, der die Angewohnheit hat, immer wenn man ihn abgehängt hat, wieder aufzutauchen. Nun ja, die Welt ist klein, oder in diesem Fall eben die Wüste.

Bei der Stange gehalten hat mich die gleichzeitig prägende aber nie wirklich aufdringliche Liebesgeschichte (ich denke, man kann es so nennen). Zwischen Amani und Jin knistert es ordentlich, und da beide ziemlich stur sind, liefern sie sich einige nette Schlagabtausche. Leider lenkt die Autorin von den beiden Protagonisten immer wieder weg zu kleineren Nebenereignissen, so dass die beiden Helden insgesamt etwas blass wirkten.

Obwohl die Geschichte im letzten Drittel endlich auf den Punkt kommt, bin ich bis zum Ende aus immer demselben Grund aus dem Lesefluss gekommen; Ich hatte das Gefühl, die Autorin hat mir Unmengen an Wissen voraus und lässt mich nur an einem Bruchteil davon teilhaben. Da gibt es einen Herrscher, der gestürzt werden soll, Städte und Länder, die verfeindet sind, magische Wesen wie Ghule, Djinni und Buraqis … aber sie alle treten nur selten wirklich auf den Plan; der Leser erfährt häufig nur in Unterhaltungen der Protagonisten von ihnen und das auch nur in Ansätzen.

„AMANI - Rebellin des Sandes“ von Alwyn Hamilton war daher für mich ein bisschen wie ohne Karte in einem fremden Land, in einer fremden Stadt ausgesetzt zu werden. Man sieht vor sich eine großartige neue Welt, bekommt sie aber nicht richtig zu fassen. Was wirklich schade ist. Denn in dem Buch stecken jede Menge Fantasie und viele wunderbare Ideen, von denen ich nur eine klitzekleine Vorstellung bekommen durfte, wie wunderbar sie tatsächlich sind.

Das Buch endet ohne Cliffhanger aber mit einigen offenen Fragen. Im Grunde hat sich Alwyn Hamilton jetzt eine gute Basis für einen zweiten Teil geschaffen, der möglicherweise etwas zielstrebiger im Aufbau sein wird.

Wer fantasievolle, atmosphärisch dichte Geschichten mit einem guten Schuss Abenteuer mag und sich darin (auch ohne klares Ziel) verlieren kann, wird sicher Freude an dem Buch haben. Mich hat es leider sehr verwirrt und deshalb bin ich wohl gleich zu Beginn in Dustwalk ohne Amani stecken geblieben.